Epidemiologie und Sozialepidemiologie

Joseph Kuhn , Gabriele Bolte

(letzte Aktualisierung am 21.02.2024)

Zitierhinweis: Kuhn, J. & Bolte, G. (2024). Epidemiologie und Sozialepidemiologie. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i011-3.0

Zusammenfassung

Die Epidemiologie misst die Häufigkeit und Verteilung von Gesundheitszuständen bzw. Krankheiten und deren Einflussfaktoren in einer Bevölkerungsgruppe. Als ein Teilgebiet dieser Lehre hat sich die Sozialepidemiologie herausgebildet, die den Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheitszustand analysiert. Durch ihre verschiedenen Kennzahlen ist die Epidemiologie Grundlage für eine evidenzbasierte Gesundheitsförderung. Sie hilft bei der Evaluation umgesetzter Maßnahmen und ist außerdem eine Basis für die Gesundheitskommunikation und -berichterstattung. Bisherige Erkenntnisse belegen die Wirksamkeit von Gesundheitsförderung in unterschiedlichen Settings, wie z. B. der Gemeinde, dem Arbeitsplatz und der Wohnumwelt.

Schlagworte

Epidemiologie, Soziale Ungleichheit, Risiken, Studientypen, Gesundheitsberichterstattung


Spektrum der Epidemiologie

Epidemiologie ist die Lehre von der Häufigkeit und von den Determinanten gesundheitsbezogener Zustände und Ereignisse in einer Bevölkerung. Dies schließt die Untersuchung von Gesundheitspotenzialen und Versorgungsaspekten ein. Die Epidemiologie stellt eine Kerndisziplin der Gesundheitswissenschaften/Public Health dar.

Der Begriff Epidemiologie stammt, wie das Wort unschwer erkennen lässt, ursprünglich aus der Seuchenbekämpfung und wurde von dort in andere Bereiche übertragen. Die Infektionsepidemiologie ist somit heute nur noch ein Teilgebiet der Epidemiologie. Andere etablierte Teilgebiete sind z. B. die Krebsepidemiologie, die Herz-Kreislauf-Epidemiologie oder die Umweltepidemiologie; neuere Gebiete sind z. B. die genetische Epidemiologie, die Versorgungsepidemiologie oder die Stadtepidemiologie. In der für die Gesundheitsförderung besonders relevanten Sozialepidemiologie steht der Zusammenhang von sozialer Lage und Gesundheit im Mittelpunkt (Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung/Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit).

Für die Gesundheitsförderung spielen epidemiologische Studien in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle:

  • Die Epidemiologie ist ein unverzichtbarer Ausgangspunkt für eine evidenzbasierte Planung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung. Sie zeigt auf, wie Krankheiten, Risiken und Gesundheitspotenziale in der Bevölkerung verteilt sind (deskriptive Epidemiologie), welche Faktoren auf individueller und struktureller Ebene zum Erhalt der Gesundheit bzw. zum Entstehen von Krankheiten beitragen (analytische Epidemiologie), was im Hinblick auf Häufigkeit, Schwere oder Kosten wichtige Handlungsfelder sind und welche Maßnahmen der Gesundheitsförderung als bewährt gelten können.
  • Sie dient der Umsetzungsbegleitung und Evaluation, indem sie die Wirkungen der Gesundheitsförderung untersucht (teilweise auch als experimentelle Epidemiologie).
  • Sie stellt eine Grundlage für Gesundheitskommunikation und Kampagnen sowie Gesundheitsberichterstattung dar und leistet so einen Beitrag zur Beteiligungsfähigkeit der Bevölkerung bzw. der jeweiligen Zielgruppen.

Epidemiologische Grundbegriffe

Prävalenz: Die Prävalenz bezeichnet die Häufigkeit einer Krankheit (oder eines anderen gesundheitsbezogenen Merkmals) in der Bevölkerung. Sie berechnet sich als Quotient der Fallzahl und der Bezugsbevölkerung. Dabei kann unterschieden werden zwischen der Krankheitshäufigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt (Punktprävalenz) oder in einem Zeitraum (Periodenprävalenz, z. B. 12-Monats-Prävalenz, Lebenszeitprävalenz). Man schätzt beispielsweise die Punktprävalenz von Rückenschmerzen auf ca. 30 %, d. h., ein Drittel der Bevölkerung leidet aktuell an Rückenschmerzen, über die gesamte Lebensdauer hinweg sind dagegen ca. 80 % aller Menschen betroffen.

Inzidenz: Die Inzidenz gibt die Neuerkrankungen innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums an, bezogen auf die Bevölkerung unter Risiko am Anfang dieser Beobachtungsperiode (kumulative Inzidenz) oder bezogen auf die beobachtete Personenzeit (Inzidenzdichte).

Vermeidbare Sterblichkeit und verlorene Lebensjahre: Die Sterblichkeit ist eine Inzidenz. Sie gibt an, wie viele Menschen in einem Zeitraum, z. B. einem Jahr, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, gestorben sind. Speziell mit Blick auf die Identifikation des präventiven Handlungsbedarfs wurden in der Epidemiologie Kennziffern wie die vermeidbare Sterblichkeit oder verlorene Lebensjahre gebildet. Bei der vermeidbaren Sterblichkeit wird für ausgewählte Krankheitsarten eine Altersgrenze angenommen, unterhalb derer die Todesfälle als grundsätzlich vermeidbar betrachtet werden. Meist liegt diese Grenze bei 65 oder 75 Jahren. Diese Fälle werden aufsummiert und auf die Bevölkerung dieser Altersgruppe bezogen oder als Anteil an allen Sterbefällen ausgewiesen. Bei den verlorenen Lebensjahren (PYLL – Potential Years of Life Lost) geht es um die Summe der nicht mehr gelebten Jahre vom Sterbejahr bis zu einem im Prinzip für alle erreichbaren Alter von beispielsweise 65 Jahren. Krankheitsarten mit vielen vermeidbaren Sterbefällen oder vielen verlorenen Lebensjahren geben Hinweise auf ein möglicherweise unausgeschöpftes präventives Potenzial.

Absolutes und relatives Risiko: Die Inzidenz ist ein Maß für das absolute Risiko einer Erkrankung in der Bevölkerung. Der Risikobegriff bezeichnet in der Epidemiologie also die rein statistische Auftretenswahrscheinlichkeit einer Erkrankung und weicht etwas vom Alltagsverständnis des Wortes ab. Für die Quantifizierung des Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen bzw. die Wirkung von Expositionen auf eine Gruppe von Menschen werden sogenannte Assoziationsmaße bzw. Effektmaße gebildet.

Das relative Risiko (RR) gibt an, ob eine Risikoerhöhung oder -verminderung im Zusammenhang mit einer Exposition besteht. Ist das relative Risiko größer als 1, deutet dies darauf hin, dass die Exposition das Erkrankungsrisiko erhöht. Ist das relative Risiko kleiner als 1, ist davon auszugehen, dass die Exposition das Erkrankungsrisiko verringert, also einen schützenden Effekt hat. Eine ähnliche Bedeutung hat die Odds Ratio (OR), die häufig berechnet wird, da oftmals keine Inzidenzdaten zur Berechnung des relativen Risikos verfügbar sind.

Risikodifferenz: Ein weiteres Effektmaß ist die Risikodifferenz. Sie gibt das der Exposition zuschreibbare („attributable“) Risiko an und ist für die Planung von Präventionsmaßnahmen von Bedeutung. Sie zeigt an, in welchem Umfang die Inzidenz einer Erkrankung gesenkt werden kann, wenn die Exposition nicht mehr vorliegt. Die attributable Risikoproportion gibt an, welcher Anteil der Krankheit in der exponierten Gruppe auf die Exposition zurückzuführen ist. Unter Public Health-Gesichtspunkten ist außerdem bedeutsam, welcher Anteil an Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung auf die Exposition zurückzuführen ist. Hierfür wird das populationsattributable Risiko berechnet. Wenn es sich statt einer gesundheitsschädlichen Exposition um einen schützenden Einflussfaktor handelt, z. B. eine erfolgreiche Maßnahme der Gesundheitsförderung, kann die sogenannte Preventive Fraction berechnet werden: Sie gibt das Verhältnis zwischen den durch die Maßnahme verhinderten Fällen zu den ohne diese Maßnahme zu erwartenden Fällen an.

Signifikanz, Relevanz, Kausalität: Epidemiologische Aussagen werden häufig statistischen Signifikanzprüfungen unterzogen, z. B. durch die Angabe von Konfidenzintervallen bei Schätzwerten oder durch die Angabe von p-Werten bei Hypothesentests. Die statistische Signifikanz von Befunden gibt an, dass sie – mit der angegebenen Wahrscheinlichkeit – nicht durch Zufall zustande gekommen sind. Über die gesundheitliche Bedeutung ist damit nichts ausgesagt, denn bei großer Fallzahl können auch kleine, inhaltlich ggf. kaum relevante Unterschiede statistisch signifikant sein. Daher ist zu unterscheiden zwischen statistischer Signifikanz und gesundheitlicher Relevanz der Befunde, die inhaltlich beurteilt werden muss. Beispielsweise kann ein geringes relatives Risiko von großer gesundheitlicher Bedeutung sein, wenn die Exposition einen Großteil der Bevölkerung betrifft. Dies ist z. B. bei Luftschadstoffen aus dem Straßenverkehr der Fall.

Infrage gestellt wird häufig auch, ob epidemiologisch ermittelte Zusammenhänge von Expositionen und Effekten kausal interpretiert werden dürfen. Zunächst geht es nur um statistische Assoziationen, für die Interpretation sind dann weitere Informationen hinzuzuziehen. Hinweise, ob hinter solchen statistischen Assoziationen kausale Zusammenhänge zu vermuten sind, geben z. B. einige der Kausalitätskriterien nach Hill (1965) gemäß ihrer aktuellen Interpretation (z. B. Rothman, Greenland, Poole & Lash 2008; Fedak, Bernal, Capshaw & Gross 2015).

Studientypen: Die drei häufigsten Studientypen sind Querschnittstudien, Fall-Kontroll-Studien und Kohortenstudien. In Querschnittstudien wird eine Gruppe von Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht. Querschnittstudien sind zur Untersuchung von kausalen Zusammenhängen wenig geeignet; die erfassten Merkmale lassen sich nur als statistische Assoziationen darstellen. Die Stärken von Querschnittstudien liegen in der einfachen Erhebung von Prävalenzen im Kontext vieler Merkmale, die Ausgangspunkt zur Bildung von Hypothesen über kausale Zusammenhänge sein können.

Bei Fall-Kontroll-Studien wird eine Gruppe von neu Erkrankten und nicht Erkrankten im Hinblick auf eine zurückliegende (ggf. hypothetische) Exposition gegenüber gesundheitsschädigenden Faktoren untersucht. Das Verhältnis von Gesunden und Kranken ist durch das Studiendesign festgelegt. Aussagen zu Inzidenzen und relativen Risiken sind daher nicht möglich, es werden Odds Ratios berechnet. Fall-Kontroll-Studien sind für seltene Erkrankungen und für Expositionen mit langen Latenzzeiten besonders geeignet.

In Kohortenstudien wird eine gesunde Population mit Exponierten und Nichtexponierten in ihrer weiteren Entwicklung beobachtet. Das Neuauftreten von Erkrankungen in den beiden Gruppen wird analysiert. Das Studiendesign lässt die Berechnung von Inzidenzen und relativen Risiken zu. Ein Vorteil von Kohortenstudien ist, dass die zeitliche Abfolge von Exposition und Erkrankungen eindeutig bestimmt werden kann.

Die wichtigsten methodischen Standards zur Durchführung epidemiologischer Studien sind in den Leitlinien und Empfehlungen zur Sicherung „Guter Epidemiologischer Praxis“ (GEP) der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie zusammengefasst (DGEpi o. J.).

Einzelne Studien sind allerdings oft nicht in der Lage, Sachverhalte mit der erforderlichen Belastbarkeit nachzuweisen. Dies macht die systematische, methodisch stringente Zusammenführung vieler Studien zu einem Sachverhalt notwendig, z. B. in Form von systematischen Reviews und Meta-Analysen. Eine qualitativ hochwertige Form von Reviews stellen die „Cochrane-Reviews“ dar, deren Erstellung einem von der Cochrane-Gesellschaft vorgegebenen Verfahren folgt.

Epidemiologische Methoden haben heute weit über die Forschung hinaus Bedeutung gewonnen. Sie stellen das wichtigste Instrumentarium der evidenzbasierten Medizin dar. Das 2004 gegründete Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) bearbeitet die ihm übertragenen Fragen ganz wesentlich auf der Grundlage epidemiologischer Studien. Damit steuert es einen elementaren Beitrag dazu bei, Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung evidenzbasiert zu begründen, wie es im Krankenkassenrecht inzwischen verpflichtend vorgegeben ist (siehe z. B. § 35 Abs. 1b, § 35a Abs. 1, § 139a Abs. 4, SGB V).

Epidemiologische Forschungsbefunde

Für viele der heute in Gesundheitsförderung und Prävention behandelten Themen – vom Tabak- und Alkoholkonsum über Adipositas bis hin zur Umweltqualität des Wohnumfelds – stehen inzwischen umfangreiche epidemiologische Forschungsbefunde zur Verfügung. Diese Befunde sind auch Grundlage präventionspolitischer Weichenstellungen. Beispielsweise hat der Nachweis, dass allein durch das häusliche Passivrauchen mehrere tausend vorzeitige Sterbefälle jährlich zu verzeichnen sind, die Nichtraucherschutzpolitik befördert. Ein anderes Beispiel: Der Nachweis, dass Schadstoffe aus Verbrennungsmotoren die Gesundheit schädigen, hat zur Einführung von Umweltzonen und Schadstoffvorgaben für Hersteller beigetragen. Im Arbeitsschutz beruhen zahlreiche Vorschriften auf epidemiologischen Befunden, in der Prävention ebenso wie z. B. bei der Anerkennung von Berufskrankheiten.

In der Coronakrise ist die Relevanz infektionsepidemiologischer Ansätze ins Alltagsbewusstsein der Bevölkerung gedrungen. Ihre Befunde haben weitreichende politische Folgen in der ganzen Welt gehabt, von den unmittelbaren Verhaltensvorgaben für jeden Einzelnen bis hin zu den wirtschaftlichen Folgen der Infektionsschutzmaßnahmen. In den Medien und Internetforen wurde über Inzidenzwerte, die Basisreproduktionszahl, Übersterblichkeitsberechnungen und vieles mehr diskutiert – ein Crashkurs in Epidemiologie für alle. Zugleich hat die Coronakrise auch den engen Zusammenhang zwischen Infektionen und psychischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten aufgezeigt. Epidemiologische Studien haben dabei die gravierenden psychischen Folgen der Krise sowie die sozial unterschiedliche Betroffenheit der Menschen belegt. Vermutlich war die Epidemiologie nie zuvor gesellschaftlich so wirkmächtig wie in den Jahren 2020 bis 2022.

Soziale Lage und Gesundheit

Der Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit, zu dem in Deutschland noch Anfang der 1990er-Jahre vergleichsweise wenig Forschungsbefunde vorlagen, ist durch die Sozialepidemiologie inzwischen gut erforscht (Soziale Ungleichheit und Gesundheit/Krankheit). Gesundheitsrelevante Aspekte der sozialen Lage sind beispielsweise neben den klassischen Indikatoren auf individueller Ebene wie Bildung und Einkommen das Geschlecht und der Migrationshintergrund (Gesundheitsförderung und Migrationshintergrund. In letzter Zeit werden aus einer Intersektionalitätsperspektive zunehmend die Bedeutung des Kontextes und makrosozialer Prozesse der Privilegierung und Diskriminierung untersucht (Merz et al. 2023).

Die meisten Krankheiten und Risikofaktoren weisen einen deutlichen Sozialgradienten dergestalt auf, dass eine schlechtere soziale Lage auch eine schlechtere Gesundheit zur Folge hat. Der Einfluss der sozialen Lage auf die Gesundheit beginnt dabei bereits in der Kindheit. Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien haben mehr Geburtsrisiken, sie sind im Schulalter häufiger adipös, haben häufiger Karies, sie weisen mehr Entwicklungsverzögerungen und psychische Störungen auf. Im Erwachsenenalter sind die gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit bzw. prekärer Beschäftigung, einem niedrigem Bildungsgrad und einem niedrigen beruflichen Status vielfach belegt.

An Merkmalen wie dem Krankenstand der Beschäftigten oder der Frühberentungsrate zeigt sich der Sozialgradient der Gesundheit sogar in den Routinestatistiken der Sozialversicherung. Auch Umweltbelastungen sind sozial ungleich verteilt, z. B. wohnen sozial Benachteiligte öfter an verkehrsreichen Straßen oder in einem industriell belasteten Umfeld. In Deutschland wird dies unter dem Stichwort Umweltgerechtigkeit bzw. „Chancengleichheit bei Umwelt und Gesundheit“ in den letzten Jahren zunehmend diskutiert (Bolte, Bunge, Hornberg, Köckler & Mielck 2012; Bolte, Bunge, Hornberg & Köckler 2018).

Insbesondere den Umwelt- bzw. Lebensbedingungen und dem Zugang zur Gesundheitsversorgung als auch dem Gesundheitsverhalten kommt eine vermittelnde Rolle zwischen sozialer Lage und Gesundheit zu. Vielversprechende Erklärungsansätze der sozialepidemiologischen Befunde liefern Konzepte wie das der „Verwirklichungschancen“ (Sen 2000) oder des „Sozialen Kapitals“ (Bourdieu 1983; Putnam 1993). In der Summe führt die höhere Krankheitslast sozial Benachteiligter dazu, dass in Deutschland Menschen im unteren Einkommensviertel eine um fünf bis zehn Jahre kürzere Lebenserwartung haben als Menschen im oberen Einkommensviertel (Lampert, Hoebel & Kroll 2019).

Der enge Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit verweist auf die Notwendigkeit einer guten Verhältnisprävention in den Gemeinden, am Arbeitsplatz und in anderen Settings wie der Wohnumwelt mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Lage. Dies ist im besten Sinne Health Equity in All Policies (Bolte, Bunge, Hornberg, Köckler & Mielck 2018).

Literatur:

Bolte, G. (2023). Stadtepidemiologie als integrativer Ansatz für eine nachhaltige, gesundheitsfördernde Stadtentwicklung. Gesundheitswesen 85 (Suppl. 5): S. 287−295. DOI 10.1055/a-2156-4305.

Bolte, G., Bunge, C., Hornberg, C. & Köckler, H. (2018). Umweltgerechtigkeit als Ansatz zur Verringerung sozialer Ungleichheiten bei Umwelt und Gesundheit. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 61(6), S. 674–683.

Bolte, G., Bunge, C., Hornberg, C., Köckler, H. & Mielck, A. (2012). Umweltgerechtigkeit: Chancengleichheit bei Umwelt und Gesundheit: Konzepte, Datenlage und Handlungsperspektiven. Bern: Huber.

Fedak, K. M., Bernal, A., Capshaw, Z. A. & Gross, S. (2015). Applying the Bradford Hill criteria in the 21st century: how data integration has changed causal inference in molecular epidemiology. Emerg Themes Epidemiol 12:14. DOI 10.1186/s12982-015-0037-4.

Hill, A. B. (1965). The environment and disease: Association or causation? Proceedings of the Royal Society of Medicine, 58(5), S. 295–300.

Lampert, T., Hoebel, J. & Kroll L. E. (2019). Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung in Deutschland – Aktuelle Situation und Trends. Journal of Health Monitoring, 4(1), S. 3–15.

Merz, S., Jaehn, P., Mena, E., Pöge, K., Strasser, S., Saß, A.-C., Rommel, A., Bolte, G. & Holmberg, C. (2023). Intersectionality and eco-social theory: a review of potentials for public health knowledge and social justice. Critical Public Health 33 (2): S. 125−134. 10.1080/09581596.2021.1951668.

Rothman, K. J., Greenland, S., Poole, C. & Lash, T. L. (2008). Causation and causal inference. In: K. J. Rothman, S. Greenland & T. L. Lash (Hrsg.). Modern epidemiology (S. 5−31). Philadelphia: Wolters Kluwer Health/Lippincott Williams & Wilkins.

Weiterführende Quellen

Berkman, L. F., Kawachi, I. & Glymour, M. (2014). Social Epidemiology. 2. Auflage, New York: Oxford University Press.

Bolte, G. (2018). Epidemiologische Methoden und Erkenntnisse als eine Grundlage für Stadtplanung und gesundheitsfördernde Stadtentwicklung. In: S. Baumgart, H. Köckler, A. Ritzinger & A. Rüdiger (Hrsg.). Planung für gesundheitsfördernde Städte (S. 118–134). Hannover: Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) 08.

Bolte, G. (2016). Gender in der Epidemiologie im Spannungsfeld zwischen Biomedizin und Geschlechterforschung. Konzeptionelle Ansätze und methodische Diskussionen. In: C. Hornberg, A. Pauli & B. Wede (Hrsg.). Medizin – Gesundheit – Geschlecht: Eine gesundheitswissenschaftliche Perspektive (S. 103–124). Wiesbaden: Springer VS.

Bonita, R., Beaglehole, R., Kjellström, T. & Beifuss, K. (2013). Einführung in die Epidemiologie. Bern: Huber.

Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: R. Kreckel (Hrsg.). Soziale Ungleichheiten (S. 183−198). Göttingen: Schwartz.

Kreienbrock, L., Pigeot, I. & Ahrens, W. (2012). Epidemiologische Methoden. 5. Auflage, Stuttgart: Spektrum Akademischer Verlag.

Krieger, N. (2011). Epidemiology and the people’s health. Theory and context. Oxford/New York: Oxford University Press.

Kuhn, J., Heißenhuber, A. & Wildner, M. (2014). Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung. Begriffe, Methoden, Beispiele. Eine Handlungshilfe. Erlangen: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

O’Campo, P. & Dunn J. R. (2012). Rethinking social epidemiology. Towards a science of change. Dordrecht, NL: Springer.

Putnam, R. & Robert, D. (1993). Making democracy work. Civic traditions in modern Italy. Princeton: Princeton University Press.

Sen, A. (2000): Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft. München: Hanser Verlag.

Szklo, M., Nieto, J. (2019). Epidemiology. Beyond the basics. Burlington, MA: Jones and Bartlett Publishers.

Internetadressen:

Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (auf dieser Internetseite sind auch die „Leitlinien und Empfehlungen zur Sicherung von Guter Epidemiologischer Praxis [GEP]“ in der aktuellen Version verfügbar): www.dgepi.de

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG): www.iqwig.de

Robert Koch-Institut: www.rki.de

Verweise:

Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsförderung und Migrationshintergrund, Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung / Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit, Gesundheitskommunikation und Kampagnen, Gesundheitswissenschaften / Public Health, Soziale Ungleichheit und Gesundheit/Krankheit, Soziales Kapital, Umweltgerechtigkeit