Prävention und Krankheitsprävention

Peter Franzkowiak

(letzte Aktualisierung am 14.03.2022)

Zitierhinweis: Franzkowiak, P. (2022). Prävention und Krankheitsprävention. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i091-3.0

Zusammenfassung

Prävention, genauer: Krankheitsprävention bezeichnet alle Maßnahmen, die auf Vermeidung, Verringerung/Abschwächung oder zeitliche Verschiebung von (Gesundheits-)Störungen abzielen. Voraussetzung ist die gesicherte Kenntnis über pathogene Mechanismen der Entstehung von Risikofaktoren, Vorläufern und Verstärkern der Störungen/Krankheiten. Zwei komplementäre KP-Systematiken liegen vor: Das Strukturmodell (primär-sekundär-tertiär) und das Spezifitätsmodell (universell-selektiv-indiziert). Jeweilige strategische Ansatzpunkte, konzeptionelle Zugänge, Methoden der Verhaltens- und Verhältnisprävention sowie ausgewählte Handlungsfelder werden vorgestellt. Die wachsende Bedeutung der Evidenzbasierung, ethische Problemstellungen, sozialwissenschaftliche Kritiken sowie das Verhältnis zur Gesundheitsförderung werden ebenfalls diskutiert. Zwei Abschnitte behandeln Besonderheiten und Herausforderungen der Krankheitsprävention in der Covid-19-Pandemie.

Schlagworte

Prävention, Krankheitsprävention, Strukturmodell, Spezifitätsmodell, Präventionsstrategien, Gesundheitsziele, vorrangige Krankheitsgruppen, Evidenzbasierung, Covid-19-Pandemie, Präventionsdilemma, sozialwissenschaftliche Präventionskritik


Entwicklung und Definition von Krankheitsprävention

Prävention ist der allgemeine Oberbegriff für alle Interventionen, die zur Vermeidung oder Verringerung des Auftretens, der Ausbreitung und der negativen Auswirkungen bzw. Folgekosten von unerwünschten Ereignissen, Zuständen oder Entwicklungen beitragen. Prävention wirkt durch Verhinderung, Verminderung oder Verzögerung von bekannten und vorab definierten Ursachen, Risiken und Rahmenbedingungen im Wege der Früherkennung und Frühintervention. Für eine erfolgversprechende Prävention ist fundiertes Wissen notwendig: sowohl über drohende Ereignisse und Entwicklungen und die sie bedingenden Faktoren als auch über entsprechende Ansatzpunkte für Gegenstrategien. Ihre Maßnahmen können individuell, kollektiv und in Populationen umgesetzt werden. Sie umfassen politische, gesetzgeberische, soziale, medizinische, psychologische und pädagogische Eingriffe meist professionell autorisierter Akteurinnen und Akteure, Lebensweltbeeinflussung und Umweltkontrolle, Lobbyarbeit und massenmediale Kampagnen.

Im gesundheits- und krankheitsbezogenen Sprachgebrauch werden die Begriffe Prävention und Krankheitsprävention oftmals synonym verwendet. Hurrelmann, Richter, Klotz & Stock (2018, S. 23 ff.) verweisen darauf, dass „Krankheitsprävention“ zwar der historisch ältere ist (mit Wurzeln in der Sozialmedizin und Sozialhygiene des 19. Jahrhunderts), heutzutage jedoch vielfach auf „Prävention“ verkürzt wird. Wissenschaftlich präziser und auch strukturell eindeutiger ist der Begriff der Krankheitsprävention. Ihr Ansatzpunkt und Bezug ist eine medizinisch oder psychiatrisch definierte und diagnostizierbare Gesundheitsstörung, d. h. eine manifeste Krankheit und deren Vorläufer. Sie zielt in erster Linie auf Risikogruppen mit erwartbaren, erkennbaren oder bereits im Ansatz eingetretenen Anzeichen von Gesundheitsstörungen und Krankheiten.

Wichtigste Voraussetzung für eine effektive Krankheitsprävention ist die wissenschaftliche und praktische Kenntnis pathogener physiologischer und psychischer Dynamiken. Damit sind die unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Verlaufsstadien (einschließlich symptomloser Vorläufer) eines Krankheitsgeschehens gemeint – sowohl bei einzelnen Betroffenen als auch in größeren Kollektiven und Populationen.

Im „Referenzwerk Prävention und Gesundheitsförderung“ definieren Hurrelmann, Richter, Klotz & Stock die zentrale Annahme: „Werden die Voraussetzungen für das Eintreten der Krankheit früh erkannt und die Regeln des Krankheitsverlaufes antizipiert, können gezielte Interventionen zur Abwendung des Eintritts des Ereignisses »Krankheit« und/oder seiner Folgen eingeleitet werden […] Der Erfolg der präventiven Intervention wird daran gemessen, in welchem Ausmaß der zu erwartende Krankheitsausbruch und/oder der sich verschlimmernde Krankheitsverlauf gemindert oder sogar verhindert werden können.“ (2018, S. 25)

Zu beachten bleibt das komplexe Bedingungsgefüge, das Entstehung und Verlauf der heute dominierenden chronischen Krankheiten (und somit auch ihrer nosologisch begründeten Prävention) zugrunde liegt. In diesem Zusammenhang zeigen sich Grenzlinien zwischen Krankheitsprävention und Therapie: „Gezielte präventive Interventionen verlangen ätiologisches Wissen über die Entstehung und Veränderung spezifischer Krankheiten […] Vor allem chronischen Krankheiten liegt jedoch meist ein komplexes Bedingungsgefüge multipler Faktoren zugrunde, und oft sind weder alle möglichen Einflussfaktoren noch die Art ihres kausalen Zusammenwirkens bekannt. Insofern ist Prävention in vielen Fällen weniger auf spezifische kausale Eingriffe als auf die Beeinflussung von Bedingungs- oder Risikofaktoren für Krankheiten ausgerichtet. Da solche Risikofaktoren, wie z. B. Rauchen oder Umweltverschmutzung, ihrerseits multiple Wirkungen haben, das heißt in Hinblick auf ganz unterschiedliche Krankheiten pathogen wirken, zielt Prävention, anders als Therapie, nicht notwendigerweise auf spezifische Krankheiten, sondern oft auf ganze Krankheitsspektren. Und auch bezüglich der Zielgruppe unterscheidet sich Prävention von therapeutischer Behandlung, da sie oft weniger auf einzelne Individuen ausgerichtet ist, sondern auf Breitenwirkung und Community-Orientierung setzt und proaktiv an die Zielgruppen herangetragen wird“ (Leppin 2018, S. 43, Hervorhebungen P. F.).

Allgemeine Zielsetzungen

Ziel ist das Vermeiden des Eintretens, die Verhinderung der Entstehung und Ausbreitung sowie die Verhinderung des Voranschreitens einer Gesundheitsstörung oder Krankheit in ein jeweils schlimmeres Stadium, ebenso das Vermeiden von Folgestörungen somatischer, psychischer und sozialer Art sowie das Reduzieren von Folgekrankheiten und chronischen Verläufen. Der erzielte Gesundheitsgewinn besteht im Abbau einer individuellen oder kollektiven Krankheitslast, die aus der Kenntnis pathogener Dynamiken heraus zu erwarten ist. Spezifische und allgemeine Präventionsziele werden (nach Rosenbrock & Michel 2007, S. 3 ff) in vier Kernpunkten zusammengefasst:

  • Vermeidung, Abschwächung oder zeitliche Verschiebung („Kompression“) von Mortalität und Morbidität und den sich daraus ergebenden Einbußen an Lebensqualität und Einschränkungen der Teilhabe am sozialen Leben.
  • Vermeidung, Verringerung und/oder zeitliche Verschiebung von direkten Krankheitskosten der Kuration, Rehabilitation und Sozialversicherung.
  • Vermeidung, Verringerung und/oder zeitliche Verschiebung von indirekten Krankheitskosten durch reduzierte Produktivität, eingeschränktes bürgerschaftliches Engagement oder gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtsverluste; Erhalt des wirtschaftlichen und sozialen Produktionspotenzials.
  • Investition in Gesundheit als einen demografisch zunehmend wichtigen Aspekt des „Humankapitals“.

Das Strukturmodell: Primäre − Sekundäre − Tertiäre Krankheitsprävention

Krankheitspräventive Maßnahmen sollen nicht nur das (Neu-)Auftreten von Krankheiten, von Behinderungen oder eines vorzeitigen Todes senken, sondern auch zu einem möglichst langen Erhalt von Selbständigkeit im fortschreitenden Alter beitragen. Daher hat die Krankheitsprävention gestufte Ziele. Interventionshandlungen werden je nach dem Zeitpunkt des Eingriffs in einer Abfolge von Entwicklungsstufen der Störung unterschieden in primäre, sekundäre und tertiäre Krankheitsprävention (vgl. Tab. 1).

Klassifikation

Ziele

Zeitlicher Ansatz und Umsetzung

Primäre Krankheits­prävention

Ziele für die Einzelperson:
Krankheitsverhütung, Risikosenkung, Risikoeliminierung.
Ziele der Bevölkerung/Gesundheitspolitik:
Senkung der Inzidenzraten von Krankheiten, Minderung der Wahrscheinlichkeit des Krankheitseintritts in einer Population.

Primäre Krankheitsprävention
Adressatinnen und Adressaten sind Gesunde bzw. Menschen ohne manifeste Symptomatik.
Sie soll wirksam werden, wenn noch keine Krankheit, noch keine fassbaren physiologisch-biochemischen Schädigungen eingetreten sind.
Sie will bekannte auslösende oder vorhandene Ursachen und Teilursachen (z. B. Risikofaktoren) von Krankheiten vermeiden.
Sie umfasst die Verhütung von Krankheit durch:

  • Beseitigung eines oder mehrerer ursächlicher Faktoren der Exposition (z. B. durch Ausrottung von Virenstämmen oder Beseitigung chemischer oder ökologischer Noxen) und
  • Verhinderung bzw. Verminderung verhaltensbedingter Risikofaktoren, durch Erhöhung der organismischen Widerstandskraft von Menschen und ihrer Kompetenzen zur konstruktiven Bewältigung von Belastungen (z. B. durch Schutzimpfungen, über Gesundheitserziehung oder Gesundheitstraining zur Erhöhung der Health Literacy/Gesundheitskompetenz) und
  • Veränderung von Umweltfaktoren, die ursächlich oder als Überträger an der Krankheitsentstehung beteiligt sind (z. B. durch Gesundheitsschutzmaßnahmen, Umwelt- und Arbeitsschutz, aber auch Armutsbekämpfung oder Frühe Hilfen).
 

Sekundäre Krankheits­prävention

Ziele für die Einzelperson:
Krankheitsfrüherkennung und Krankheitseindämmung (Entdeckung von biomedizinisch eindeutigen, z. T. noch klinisch symptomlosen Frühstadien einer Erkrankung und deren erfolgreiche Frühbehandlung bzw. Eindämmung der Progredienz/Verkürzung der Dauer).
Ziele der Bevölkerung/Gesundheitspolitik:
Senkung der Inzidenz von manifesten oder fortgeschrittenen Erkrankungen.

Sekundäre Krankheits­prävention hat zum Ziel, Krankheiten möglichst frühzeitig zu erkennen, bevor Beschwerden oder Krankheitssymptome auftreten, und sie frühzeitig, vor Eintritt eines manifesten Schadens bzw. einer Chronifizierung, zu behandeln.
Hierzu werden Gesundheits-Checks, krankheitsspezifische Früherkennungsuntersuchungen bei einzelnen Menschen sowie Filteruntersuchungen (engl.: „Screenings“) in ausgewählten Bevölkerungsgruppen durchgeführt.
Das Fortschreiten eines Krankheitsfrühstadiums soll durch

  • Früherkennung, Früherfassung und frühzeitige Beratung oder Behandlung verhindert werden (Beispiele: Blutdruck- und Diabetesscreenings und nachfolgende Behandlungen, Förderung der Inanspruchnahme präventivmedizinischer Angebote), bzw. durch
  • Empfehlungen für Lebensstilveränderungen (z. B. Diät-, Trainings- und Entspannungsempfehlungen bei grenzwertigem bzw. manifestem Bluthochdruck, bei Body-Mass-Index-Werten im Grenzbereich zum Übergewicht, bei „prä-diabetischer“ Glukosetoleranz) aufgehalten werden.

Eine Frühbehandlung muss einen klinisch bzw. epidemiologisch gesicherten Zusatznutzen aufweisen, da sie andernfalls unnötige Kosten, unnötiges Leid und unnötige Risiken verursachen kann.

Tertiäre Krankheits­prävention

Ziele für die Einzelperson:
Verhütung der Verschlimmerung einer bereits manifest gewordenen Krankheit, Vermeidung von bleibenden Funktionsverlusten und eingeschränkten Aktivitäten bzw. verminderter Partizipation.
Ziele der Bevölkerung/Gesundheitspolitik:
Alle Anstrengungen, die die Leistungsfähigkeit von Patientinnen und Patienten und Betroffenen so weit wie möglich wiederherstellen bzw. erhalten; Senkung der Inzidenz bleibender Beeinträchtigungen und Behinderungen.

Tertiäre Krankheits­prävention richtet sich an Menschen/Patientinnen und Patienten, bei denen bereits eine Krankheit oder ein Leiden manifest ist und behandelt wird.
Hauptziele sind hier die Vermeidung des Fortschreitens einer bestehenden Störung, die Abmilderung von Folgeschäden und Chronifizierungen, die Verhütung von Rückfällen durch die wirksame Behandlung einer manifesten, symptomatisch und chronisch gewordenen Erkrankung, des Weiteren die Wiederherstellung weitestmöglicher Funktionsfähigkeit und Lebensqualität nach einem Krankheitsereignis.
Dazu werden notwendige Heil- und Folgebehandlungen so früh wie möglich eingeleitet.
Tertiäre Prävention und Rehabilitation überschneiden sich teilweise. Während Maßnahmen der tertiären Prävention rein krankheitsorientiert sind, zielt die Rehabilitation darauf ab, Kranke und ihre Umwelt nicht nur medizinisch-therapeutisch, sondern auch psychosozial und schulisch-beruflich zu einem aktiven, weitgehend selbstbestimmten Leben mit krankheitsbedingten, chronischen Funktionseinbußen zu befähigen. Im Kern der Rehabilitation nach ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) und dem SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) steht in Deutschland die Sicherung und Erhöhung sozialer Teilhabe und die Erhaltung bzw. Ausweitung des Handlungsspielraumes in wichtigen Lebensbereichen.

Tab. 1: Das Triadische Strukturmodell der Krankheitsprävention (eigene Darstellung)

Strategische Ansatzpunkte und konzeptionelle Zugänge im Strukturmodell

Präventionsstrategien unterscheiden sich hinsichtlich des Ansatzpunktes, den sie wählen, um Veränderungen bei Einzelnen und Gruppen, in Settings und in einer Gesamtbevölkerung zu erreichen. Weithin geläufig ist eine erste, grobmaschige Differenzierung in Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. Rosenbrock & Michel haben diese (nur scheinbare) Dichotomie schon 2007 aufgeschlüsselt und beschreiben vier ineinander übergehende strategische Ansatzpunkte:

  • Medizinische Prävention, definiert durch den Einsatz medizinischer Mittel der Diagnostik und (Früh-)Behandlung, z. B. Schutzimpfungen.
  • „Reine“ Verhaltensprävention mit dem Ziel der Änderung von (schädlichen) Verhaltensmustern bei Einzelpersonen und Gruppen ohne expliziten Kontextbezug, z. B. Gesundheitskurse und Trainingsangebote durch Krankenkassen.
  • Kontextorientierte („verhältnisgestützte“) Verhaltensprävention, entweder als verhaltenspräventive Interventionen für genau definierte Zielgruppen mit einem expliziten Kontextbezug sowie die Nutzung eines Settings als Zugangsweg für solche Zielgruppen (Gesundheitsförderung im Setting) oder als Integration von Verhältnis- und Verhaltensprävention in Mehr-Ebenen-Kampagnen und in der Gestaltung von lebensstilprägenden Lebenswelten (Gesundheitsförderndes Setting).
  • „Reine“ Verhältnisprävention ohne die Notwendigkeit persönlicher Einstellungsänderung und Verhaltensentscheidungen, als Gesamtheit struktureller und politischer Eingriffe zur Veränderung der gesundheitsrelevanten ökologischen, sozialen, kulturellen und technisch-materiellen Umwelten und Settings, der Beeinflussung von sozialen Regeln, Gesetzen und sozialen Systemen und der Intervention in Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung, etwa durch Normierung von Verbraucherschutz oder Umweltbelastungen.

Fließende Übergänge zur Gesundheitsförderung bestehen bei der kontextorientierten Verhaltensprävention sowie der Verhältnisprävention. Im „Leitfaden Prävention“ des GKV Spitzenverbandes (2021) wird primär auf die Betriebliche Gesundheitsförderung und auf Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Gemeinden/Quartieren verwiesen. Aber auch ursprünglich als „reine“ Verhaltensprävention konzipierte Maßnahmen gehen über Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung, Gesundheitsberatung oder Patientenberatung/Patientenedukation hinaus, wenn sie eine kontextorientierte sowie systemische und Kompetenzen fördernde Perspektive (Systemische Perspektive in der Gesundheitsförderung) einnehmen.

Exemplarische Beispiele sind langfristig und mehrdimensional angelegte Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wie „Kinder stark machen“ und „Alkohol? Kenn Dein Limit“ zur Suchtprävention (Schwarz & Goecke 2021), außerdem „Gut Drauf“ zur Ernährungs- und Bewegungsförderung im Jugendalter, „Gib Aids keine Chance“ und „mach’s mit“ zur HIV/Aids-Prävention (Gesundheitskommunikation und Kampagnen).

Ein Langzeitprogramm aus den Bundesländern ist die seit 1991 in Nordrhein-Westfalen bestehende Landeskampagne „Sucht hat immer eine Geschichte“. Die Kampagne vereint vier Module: „Leben ohne Qualm“ (Tabakprävention), „Stark statt breit“ (Cannabisprävention), „Stark bleiben – Suchtfrei alt werden“ (Suchtprävention im Alter); „What’s on? – Einfach mal abschalten“ (Prävention exzessiver Medien- und Internetnutzung).

Für kommunale Suchtprävention ist das 2002 entwickelte und seitdem in 160 deutschen Standorten implementierte Alkoholpräventionsprogram HaLT („Hart Am LimiT“) zu nennen. HaLT besteht aus zwei Teilen: HaLT-reaktiv (verhaltenspräventiver Ansatz) und HaLT-proaktiv (verhältnispräventiver Ansatz) und ist wissenschaftlich evaluiert und qualitätsgesichert (Eichin & Kuttler 2021).

Auch aus dem Feld der psychosozialen Prävention und Frühen Hilfen liegen mittlerweile viele, international wie national gut evaluierte und evidenzbasierte Präventionsprogramme (Evidenzbasierte Gesundheitsförderung) zur Förderung der Eltern-Kind-Bindung und Eltern-Kind-Interaktion vor: für betroffene Kinder, Jugendliche und (werdende) Eltern bzw. Risikofamilien (siehe den Überblick von Cierpka 2015 im Kontext des Nationalen Zentrum Frühe Hilfen). Beispielhaft zu nennen sind: „Keiner fällt Durchs Netz“, „Pfiff“, „EPB“, „STEEP“, „Triple P“ sowie die international vielfach evaluierten „Home Visiting Programs“, d. h., aufsuchende Programme mit konkreter alltagspraktischer Unterstützung und der Stärkung von Schutzfaktoren und Elternkompetenzen.

Ende 2017 hat das Zukunftsforum Public Health die Vorarbeiten von Rosenbrock und Kolleginnen und Kollegen in der öffentlichen Stellungnahme „Vorrang für Verhältnisprävention“ wieder aufgegriffen und mit Blick auf das Präventionsgesetz aktualisiert: „Prävention [muss], wenn sie flächendeckend effektiv implementiert werden und zur Verminderung ungleicher Gesundheitschancen beitragen soll, in erheblichem Maße auch auf Verhältnisänderung setzen. Letztere umfasst die Veränderung der ökologischen, sozialen, kulturellen und technisch-materiellen Lebensbedingungen im institutionellen und sozialen Kontext. Verhältnisprävention möchte also Gesundheitsbelastungen, die aus dem Lebensumfeld resultieren, verringern und Gesundheitsressourcen, die das Lebensumfeld bieten kann, vermehren. In diesen Kontext müssen sich auch die Ansätze von Health Literacy/Gesundheitskompetenz und Verhaltensprävention einfügen“ (De Bock, Geene, Hoffmann & Stang 2017, S. 2).

Die Unterscheidung von Verhaltens- und Verhältnisprävention sei mehr als nur eine Frage der Terminologie: „Wenn Praxis, Politik und Sozialversicherungen Präventionsmaßnahmen in Settings umsetzen wollen, müssen verhältnispräventive Maßnahmen Vorrang haben. Es erfordert – ganz im Sinne des neu formulierten § 20a SGB − eine Bestandsaufnahme und Analyse, wo Ansätze für die Veränderung von Verhältnissen liegen und wie diesbezüglich notwendige gesundheitsförderliche Strukturen und Netzwerke aufgebaut werden können“ (ebd.; siehe auch Bauer & Bittlingmayer 2020).

Auf der Ebene der konzeptionellen Zugänge gibt es drei Formen:

  • Die auf spezifische Krankheiten und Krankheitsursachen bezogene Prävention (ätiologisch und nosologisch orientierte Prävention).
  • Der Ausgleich von Gefährdungs- und Erkrankungsunterschieden zwischen verschiedenen sozialen oder gesundheitlichen (Risiko-)Gruppen (Konzept der relativen Risiken).
  • Die Bekämpfung von Epidemien/Pandemien bzw. Unterstützung von abnehmenden Gefährdungen (Konzept der Epidemien und Regressionen).

Die präventiven Strategien sind durch drei sich teilweise überschneidende Zugänge gekennzeichnet:

  • Die Ausschaltung oder Minimierung von Gesundheitsrisiken.
  • Die Verringerung der Zahl von Betroffenen, d. h. der von einem Risiko bedrohten oder gegenüber einer Krankheit exponierten Menschen.
  • Die Schulung, Beratung, Gesundheitserziehung und Kompetenzförderung aller von Gesundheitsrisiken Betroffenen.

Methodische Ansatzpunkte im Strukturmodell

Leppin (2018) ordnet die krankheitspräventive Methodik in einer mehrstufigen Systematik. Hier besteht ein ausdrücklicher Bezug zum multidimensionalen Kontinuum zwischen Verhaltens- und Verhältnisprävention:

  • Individuell psycho-edukative Verfahren: Personen-, gruppen- und bevölkerungsbezogene Praxisansätze und Kampagnen der Information, Aufklärung, Warnung und Abschreckung, der personalen Beratung, des Verhaltens- und Selbstmanagement-Trainings, der Kompetenzförderung und Stressbewältigung − dominierend in der Verhaltensprävention.
  • Sozio-edukative Aktivitäten: Initiierung von präventiven Prozessen in Gruppen oder Organisationen mit fließenden Grenzen zu sozialpolitischen Aktivierungs- und Mobilisierungsprozessen im kommunalen und regionalen Rahmen − verortet v. a. in der Verhältnisprävention sowie von zentraler Bedeutung für Gesundheitsförderung.
  • Normativ-regulatorische Verfahren: Gesetze, Vorschriften, Gebote und Verbote mitsamt Androhung von Sanktionen, z. B. als Rauchverbote, Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebote sowie Masken-, Test- und Impfverpflichtungen in der Corona-Pandemie, auch settingbezogene bzw. allgemeine Impfpflichten, Anschnall- und Helmpflicht sowie Promillegrenzen im Straßenverkehr, des weiteren Schadstoffverordnungen, Vorschriften der Lebensmittelüberwachung, Gesetzgebung zum Gesundheits-, Arbeits- und Jugendschutz − zentral für Verhältnisprävention.
  • Ökonomische Anreiz- und Sanktionssysteme: Preisregulierungen, z. B. Verteuerung von gesundheitsschädlichen Produkten wie Tabak und Alkohol durch Steuererhöhungen mit dem Ziel einer Veränderung des Nachfrage- und Konsumverhaltens, Beitragsermäßigungen für Versicherte bei Inanspruchnahme präventiver Angebote oder bei Aufgabe des Rauchens − zentral für Verhältnisprävention.
  • Materiell-strukturelle Umweltveränderungen und Schaffung von Angebots- und Verfügbarkeitsstrukturen: Einführung gesunden Essens in Betriebskantinen, Angebote zur Entspannung, Bewegung, Yoga in Gemeinden und lokalen Einrichtungen, Schaffung von Bewegungsparcours, Fahrradwegen – je nach Perspektive und/oder Adressatinnen und Adressaten spezifische Krankheitsprävention, ressourcenerweiternde Gesundheitsförderung oder Verhältnisprävention im Setting.

Das Spezifitätsmodell: Universelle − Spezifische − Indizierte Krankheitsprävention

In der US-amerikanischen Public Health, Mental Health, der Klinischen Psychologie und der Clinical Social Work gibt es seit Jahrzehnten andere Schwerpunktsetzungen. Hier arbeitet man bevorzugt mit der Kategorisierung präventiver Maßnahmen nach Spezifität und Maß der Gefährdung. In Deutschland wurde diese Sichtweise zunächst in der Gemeindepsychiatrie und Suchthilfe übernommen, gewann seit den 2000er-Jahren dann in der Suchtprävention und der deutschen Public Health allmählich an Bedeutung. Inzwischen hat sie einen festen Platz in der psychosozialen Prävention der Frühen Hilfen.

Die Klassifikation folgt einem „Risiko-Nutzen-Modell“ mit drei Kerngrößen:

  • das individuelle Erkrankungsrisiko (d. h. gegeben Ausprägung von Risikofaktoren bei den jeweiligen Zielgruppen),
  • die Interventionsrisiken sowie
  • der Aufwand und die Kosten, die mit einer Maßnahme verbunden sind.

Im Spezifitätsmodell der Krankheitsprävention werden drei Präventionsformen und -zugänge unterschieden: die universelle, die selektive und die indizierte Prävention (vgl. Tab. 2). Die drei Formen sind in ein Gesamtsystem eingeordnet, das nicht nur Vorsorge, Früherkennung und Behandlung, sondern auch Langzeitbetreuung und Rehabilitation umfasst.

Klassifikation

Ziel­gruppen

Nutzen, Aufwand und Umsetzung

Universelle Prävention

Spricht die Gesamtbevölkerung bzw. große Teilpopulationen an.

Maßnahmen, die prinzipiell für jede und jeden nützlich oder notwendig sein sollen und in bestimmten Fällen auch ohne Professionelle durchgeführt werden können, zum Beispiel:

  • Impfempfehlungen, Jod- und Kariesprophylaxe für Säuglinge und Kinder,
  • Verkehrserziehung im Kindergarten,
  • Sexualpädagogik und Drogenaufklärung in der Schule,
  • Sicherheitsgurtpflicht für alle Teilnehmenden im Straßenverkehr,
  • Regeln der Alltagshygiene, Abstandshaltung und Kontaktbeschränkung bei Epidemien und Pandemien.
 

Selektive Prävention

Interveniert bei umrissenen Zielgruppen mit einem vermuteten, eventuell überdurchschnittlichen Risiko (Risikoträgerinnen und -träger)

Bei diesen Gruppen wird versucht, empfohlene Vorsorge- oder Früherkennungsmaßnahmen um- und durchzusetzen, zum Beispiel durch:

  • Unterstützungsgruppen für Kinder von alkoholabhängigen Eltern,
  • Schüler- und Elterntrainings in sozialen Brennpunkten,
  • spezifische Aufklärungskampagnen für Mitglieder von Party(drogen)szenen oder für sexuell hochaktive Jugendliche und Erwachsene,
  • Grippeschutzimpfungen für exponierte Berufsgruppen und ältere Menschen,
  • Mammographie-Untersuchungen bei Frauen mit familiärer Krebsbelastung.
 

Indizierte Prävention

Zielt auf Personen und Gruppen mit gesicherten Risikofaktoren bzw. manifesten Störungen oder Devianzen

Hier geht es um Interventionen, die versuchen, auf spezifische Hochrisikopersonen vorsorgend, frühbehandelnd oder schadensminimierend/rückfallpräventiv einzuwirken, zum Beispiel über:

  • Mentorinnen- und Mentorenprogramme für erstauffällige jugendliche Drogenkonsumentinnen und -konsumenten sowie Elterntrainings,
  • Förderung des Kondomgebrauchs bei sexuell aktiven HIV-Infizierten,
  • Diätempfehlungen und (Selbsthilfe-)Gruppen zur Reduktion von Hypercholesterinämie,
  • regelmäßige Kontrollen bei Menschen mit manifester Hypertonie,
  • Screening und Früherfassung von „Risikoträgerinnen“ und „Risikoträgern“ zur Einleitung von Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen,
  • prioritäre Testungen, Impfungen sowie Quarantäneauflagen bei vulnerablen Bevölkerungsgruppe in Epidemien und Pandemien.
 

Tab. 2: Das Triadische Spezifitätsmodell der Krankheitsprävention (eigene Darstellung)

Strukturmodell und Spezifitätsmodell stehen nicht in einem logischen Widerspruch zueinander: sie sind vielmehr komplementär. Die Zielgruppenstrategien des Spezifitätsmodells ergänzen die dreistufige krankheitsbezogene Perspektive im Sinne eines optimierenden Ausführungsrahmens. Mit dem Spezifitätsmodell findet sich eine nützliche, pragmatische Erweiterung, die keine prinzipielle Alternative formuliert. Strategien der Spezifität klären die Bedingungen der Ansprache, Zugangswege und Umsetzung von Präventionszielen. Die Vorsorgeziele werden weiterhin krankheitsbezogen abgeleitet. Ein Problem, das insbesondere im Spezifitätsmodell zum Tragen kommt, ist das sogenannte Präventionsparadox.

Exemplarische Anwendungsfelder des Spezifitätsmodells: Suchtprävention, Psychosoziale Prävention/Frühe Hilfen

Für den klassischen Präventionsschwerpunkt Suchtprävention hat die BZgA grundlegende, auf dem Spezifitätsmodell gründende, wissenschaftliche Übersichtsarbeiten vorgelegt.

In der zuerst 2013 vorgestellten und 2020 aktualisierten „Expertise zur Suchtprävention“ werden Interventionsstudien, Reviews und Metastudien (vorwiegend aus den USA) nach ihrer Evidenzbasierung und Wirksamkeit für universelle, selektive oder indizierte Suchtprävention zusammengestellt und bewertet. Wirksamkeit wird definiert als „präventive Effekte auf das Konsumverhalten der Teilnehmenden an Präventionsmaßnahmen, d. h. aufgrund der Maßnahmen kommt es zu einer Verhinderung, Verzögerung und/oder eine Reduktion des Substanzkonsums bzw. des Glücksspielverhaltens“ (Bühler, Thrul & Gomes de Matos 2020, S. 74). Die Bewertung erfolgt nach sieben Handlungsfeldern/Settings: Familie, Schule, Hochschule, Medien, Gesundheitsversorgung, Kommune und gesetzliche Rahmenbedingungen. Hinzutreten handlungsfeldübergreifende Forschungsbefunde, Analysen von Maßnahmen zur Prävention des problematischen Glücksspielverhaltens sowie Reflexionen zur Rolle sozialer Determinanten.

In ihrer Zusammenfassung formulieren die Autorinnen und Autoren Bedingungen für effektive, forschungs- und evidenzbasierte Strategien und Konzepte. Maßnahmen der Suchtprävention in den unterschiedlichen Handlungsfeldern und Spezifitätsebenen werden nach ihrem jeweiligen Evidenzgrad (von A bis D) gewichtet und empfohlen. (In einer Folgepublikation benennen die Autorinnen und Autoren sechs konkrete „Empfehlungen für die wirksame Alkoholprävention“: Bühler, Thrul & Gomes de Matos 2021, S. 743 – dort Infobox 1).

Zu beachten bleibt: Eine einfache, direkte Übertragung der vorrangig angloamerikanischen Reviews und Studienergebnisse auf deutsche Verhältnisse ist nur teilweise möglich. In Settings wie Familie, Schule und Hochschule sowie der Gesundheitsversorgung zeigen sich uneinheitliche Befundlagen, z. T. auch widersprüchliche Ergebnisse. Gefolgert wird daher: „Die simple Übersetzung eines Programms, das in einem anderen Land aufgesetzt wurde, scheint demnach keine empfehlenswerte Weise evidenzbasierten Handelns zu sein“ (Bühler, Thrul & Gomes de Matos 2020, S. 83).

Maßnahmen der Psychosozialen Prävention (Frühen Hilfen) verfolgen zwei ineinandergreifende Ziele: Förderung und Stabilisierung der psychosozialen Gesundheit (insbesondere belasteter Familien) und Verhinderung der Entwicklung psychischer Probleme bei betroffenen Kindern und ihren Eltern. Das Rahmenkonzept wird auch als „Transgenerational Mental Health“ bezeichnet. Die allgemeinen Zielbestimmungen können mit den Phasen des Spezifitätsmodells verknüpft werden und führen zu konkreten Interventionen.

Epidemiologisch vorrangige Krankheitsgruppen und Handlungsfelder in der individuellen verhaltensbezogenen Krankheitsprävention

Der deutsche Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen benannte bereits 2000/2001 sechs epidemiologisch prioritäre Krankheitsgruppen, für die ein erheblicher Verbesserungsbedarf in der Versorgung und Versorgungsintegration und ein zu wenig ausgeschöpftes Potenzial bei der Krankheitsprävention bestünden: ischämische Herzerkrankungen; zerebral-vaskuläre Erkrankungen, insbesondere Schlaganfall; chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen einschließlich Asthma bei Kindern und Erwachsenen; Krebserkrankungen (Lungenkrebs, Brustkrebs und übergreifende Aspekte der Versorgung Krebskranker); Rückenleiden und depressive Störungen. Die sechs Gruppen verursachten etwa zwei Drittel aller krankheitsbezogenen Ausgaben in Deutschland, inklusive Arbeitsfehlzeiten und Krankenhausaufenthalten. Zusätzlich nannte das Gutachten als präventive Prioritäten die Erhaltung und weitere Stärkung der Kariesprophylaxe, Paradontologie und Zahnerhaltung sowie die Sicherung der Impfprävention und Erhöhung von Durchimpfungsraten.

Zu vergleichbaren Zielbestimmungen kamen die deutschen Spitzenverbände der Krankenkassen in der Gesetzlichen Krankenversicherung in ihrem erstmals 2003 vorgelegten „Leitfaden Prävention“ (fortgeschrieben in die derzeit aktuellen Version 2021). Diese Bedarfsermittlung benennt sieben Krankheitsgruppen als epidemiologisch besonders bedeutsam. Für fünf der sieben Bereiche liegen primärpräventive Empfehlungen für Leistungen der Krankenkassen nach dem individuellen verhaltensbezogenen Ansatz vor (Tab. 3).

Krankheitsbilder von besonderer epidemiologischer Bedeutung

Empfohlene präventive Interventionen nach dem individuellen Ansatz

1. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (insbesondere Herzinfarkte, Schlaganfälle und Krankheiten des cerebrovaskulären Systems)

Vermeidung von Rauchen, Übergewicht, unausgewogener Ernährung, Hyperlipoproteinämie, Bluthochdruck, riskantem Alkoholkonsum, Dysstress (v.a. in Bezug auf Herzinfarkte und Schlaganfälle), Förderung von Bewegung

2. Diabetes mellitus, insbesondere Typ 2

Vermeidung des metabolischen Syndroms (Kombination aus Übergewicht bzw. Adipositas, Hyperlipoproteinämie, Hypertonie und erhöhten Blutzuckerwerten, die mit Insulinresistenz, Glukosetoleranzstörung bzw. einem manifesten Diabetes einhergeht) durch Förderung von Bewegung und ausgewogener Ernährung, Reduzierung der oben genannten Risikofaktoren

3. Adipositas

(Derzeit gibt es noch keine spezifischen Präventionsempfehlungen.)

4. Bösartige Neubildungen (Krebserkrankungen)

Förderung einer ballaststoffreichen Ernährung und Förderung von Bewegung zur Vermeidung von Colon-Rektumkarzinomen, Förderung des Nichtrauchens zur Vermeidung von Lungenkarzinomen, generell Vermeidung von Übergewicht und riskantem Alkoholkonsum sowie Förderung von Bewegung

5. Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes

Vermeidung von Übergewicht, Verhütung von Gelenkverletzungen, Förderung von Bewegung, insbesondere Kräftigung der Muskulatur (v. a. in Bezug auf Arthrosen und Dorsopathien)

6. Krankheiten des Nervensystems und der Sinnesorgane

(Derzeit gibt es noch keine spezifischen Präventionsempfehlungen.)

7. Psychische/psychosomatische Krankheiten, insbesondere Depressionen und Angststörungen

Förderung individueller Kompetenzen zur Stressbewältigung und Stärkung psychischer Gesundheitsressourcen sowie Förderung von Bewegung

Tab. 3: Epidemiologisch bedeutsame Krankheitsbilder und individuelle verhaltensbezogene Präventionsempfehlungen aus Sicht des Spitzenverbandes der deutschen Krankenkassen (eigene Darstellung nach: GKV-Spitzenverband 2021

Der individuelle verhaltensbezogene Ansatz hat vier Kernhandlungsfelder mit entsprechenden Präventionsprinzipien (Tab. 4). Voraussetzung jeder Maßnahme ist eine Evidenzbasierung (Evidenzbasierte Gesundheitsförderung). Ihre Wirksamkeit muss sich in Studien oder Metaanalysen erwiesen haben. Sämtliche Maßnahmen müssen über eine konkrete Zielbestimmung verfügen, d. h. die Messbarkeit von möglichst nachhaltigen Interventionserfolgen muss sowohl operationalisierbar als auch quantifizierbar sein.

Handlungsfelder

Präventionsprinzipien

Bewegungsgewohnheiten

Reduzierung von Bewegungsmangel durch gesundheitssportliche Aktivität; Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch geeignete verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme

Ernährung

Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung; Vermeidung und Reduktion von Übergewicht

Stressmanagement

Förderung von Stressbewältigungskompetenzen; Förderung von Entspannung und Erholung

Suchtmittelkonsum

Förderung des Nichtrauchens; gesundheitsgerechter Umgang mit Alkohol / Reduzierung des Alkoholkonsums

Tab. 4: Handlungsfelder und Präventionsprinzipien der individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention (eigene Darstellung nach: GKV-Spitzenverband 2021, 55)

Gesundheitsziele

Der Kooperationsverbund www.gesundheitsziele.de entwickelt seit dem Jahr 2000 nationale Gesundheitsziele für Deutschland. Bis Ende 2017 wurden neun Bereiche ausformuliert:

  1. Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln
  2. Brustkrebs: Mortalität vermindern, Lebensqualität erhöhen
  3. Tabakkonsum reduzieren
  4. Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung
  5. Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken
  6. Depressive Erkrankungen: verhindern, früh erkennen, nachhaltig behandeln
  7. Gesund älter werden
  8. Alkoholkonsum reduzieren
  9. Gesundheit rund um die Geburt

Die Gesundheitsziele „Gesundheit rund um die Geburt“, "Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung" und "Gesund älter wurden als Arbeitsschwerpunkte für die Jahre ab 2020 festgelegt. Zugleich wurde die Erarbeitung von Evaluationskonzepten für Einzelziele geplant, um den Nutzen des nationalen Gesundheitszieleprozesses messbar zu machen, den Gesamtprozess stetig zu verbessern und die Einzelziele auf ihre Aktivität hin zu prüfen.

Nosologisch-präventive Systematiken, zu denen diese Gesundheitsziele eindeutig zählen, erscheinen auf den ersten Blick umfassend und erschöpfend. Sie sind in sich aber weder spannungs- noch widerspruchsfrei. Primär krankheits- und risikobezogene Zielfestlegungen bleiben zwar unverzichtbar im Grundgerüst der klassischen Krankheitsprävention. Sie müssen aber biografisch-entwicklungsbezogen flankiert sowie sozialökologisch grundiert werden. Erst in der Zusammenschau aller potenziellen Determinanten von Gesundheit und Krankheit wird eine valide und hinreichend differenzierte Ziel- wie Zielgruppenbestimmung für etwaige Interventionen oder Kampagnen möglich.

Neuer Leitbegriff Primärprävention?

Rosenbrock und Kolleginnen und Kollegen plädierten schon in den 1990er-Jahren für eine veränderte Schwerpunktsetzung in der Interventionsbegründung. Sie halten die bisherigen Struktur- und Spezifitätskonzepte weder für hinreichend widerspruchsfrei noch für ausreichend praxistauglich. Ein sinnvollerer Oberbegriff sei für die Praxis und Politik die Primärprävention. Ihr Zentrum und Fokus ist die Risikosenkung, die sich in der Kombination von Belastungssenkung und Ressourcenstärkung entfaltet (vgl. Tab. 5). Für die betriebliche Prävention und Gesundheitsförderung existiert seit Langem ein vergleichbares Begriffspaar: „Reduzierung und Vermeidung von Gesundheitsrisiken“ in Verbindung mit „Erschließung von Gesundheitspotenzialen“ (Badura & Knesebeck 2020).

Diese Perspektive wendet sich offensiv gegen den bislang dominierenden nosologischen Bezug, d. h. gegen die verengende Orientierung von Prävention auf definierte Krankheiten. Denn primärpräventive, also Belastungen senkende und Ressourcen vermehrende Aktivitäten und Strategien lassen sich nur in Ausnahmefällen bestimmten Krankheiten eindeutig zuordnen. Für Primärprävention ist weniger die Nosologie leitend als die Logik der Interventionsbereiche, d. h. der jeweilige Kontextbezug. Entscheidend ist, welche Einwirkungen auf Arbeit, Wohnen, Entspannung und Erholung, Ernährung und Bewegung u. a. entstehen.

Primärpräventive Maßnahmen wirken auf drei Interventionsebenen: beim Individuum, im Setting/der Lebenswelt und in der Gesamtbevölkerung bzw. großen Bevölkerungsgruppen. Dabei können sie einen unterschiedlichen Fokus haben. Sie zielen eher auf Information, Aufklärung, Motivation und Beratung ab oder streben die Veränderung gesundheitsbelastender bzw. ressourcenhemmender Faktoren des jeweiligen Kontextes an (siehe hierzu auch die weiter oben zitierte Stellungnahme „Vorrang für Verhältnisprävention“ des Zukunftsforums Public Health 2007).

Primärpräventive Interventionen zeichnen sich gegenüber traditioneller Gesundheitserziehung und Gesundheitsaufklärung durch vier Innovationen aus: die Einheit von Belastungssenkung und Ressourcenförderung, die Aufwertung unspezifischer Interventionen, eine Priorität für Kontextbeeinflussung sowie eine Priorität für Partizipation. Hinzu treten Qualitätsentwicklung und -sicherung als Querschnittsaufgaben. Ohne dass alle Wirkmechanismen vollständig bekannt wären, führt nach Rosenbrock und Kolleginnen und Kollegen die Anwendung von Konzepten und Strategien, die diese vier Innovationen aufgreifen und benutzen, zu beachtlichen Erfolgen. Eine Matrix von sechs praktisch umsetzbaren Strategietypen liegt vor (vgl. Tab. 6, I.-VI.).

Interventionsebene/
Kontextbezug

Verhaltensprävention mit Fokus auf Information, Motivation, Beratung ohne verhältnispräventive Elemente

Verhaltensprävention mit Kontextbezug bzw. Weiterentwicklung von Rahmenbedingungen des Verhaltens

Individuum (Mikroebene)

I. Individuell ansetzende Primärprävention ohne Kontextbeeinflussung, z. B.: ärztliche, dabei weitgehend standardisierte Gesundheitsberatung für Patientinnen und Patienten in der Arztpraxis, Gesundheitskurse

II. Individuell ansetzende Primärprävention mit Kontextbeeinflussung, z. B.: präventiver Hausbesuch bei noch nicht pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren im Quartier mit Bezug/Beratung zu individuellen Lebensbedingungen und individuellem Lebensstil, Frühförderung und Frühe Hilfen in Familien

Setting (Mikro- bzw. Mesoebene)

III. Primärprävention im Setting, z. B.: edukative Angebote in Schulen („Gesundheitsunterricht“), Prävention von Tabakrauchen in Schulen, Informationsangebote in Betrieben ohne klaren Kontextbezug, Veränderung der Kantinenverpflegung am Arbeitsplatz − „Gesundheitsförderung im Setting“, „Good Practice“-Projekte

IV. Entwicklung eines gesundheitsförderlichen Settings, z. B.: Gesundheitsförderung in Schulen, Betrieben und Verwaltungen u. a. durch Organisationsentwicklung mit partizipativen Elementen − „gesundheitsfördernde Settings“

Bevölkerung (Makroebene)

V. Kampagnen ohne Kontextbezug: Motivationskampagnen ohne Kontextbezug, z. B. „Esst mehr Obst“, „Sport tut gut“, „Rauchen gefährdet die Gesundheit“, „3000 Schritte für die Gesundheit“ sowie Social Marketing ohne Beeinflussung von Rahmenbedingungen des Verhaltens

VI. Kampagnen mit Kontextbezug, z. B.: Anti-Tabak-Kampagne unter Einschluss verhältnispräventiver Maßnahmen (Abbau von Zigarettenautomaten, Nutzung der Tabaksteuer für präventive Zwecke u. a.), Trimm-Aktionen, HIV/Aids-Kampagnen

Tab. 6: Systematik von Interventionstypen in der Primärprävention (nach: Rosenbrock & Gerlinger 2014, S. 89−95)

Die Vorstöße für eine Interventionssystematik unter dem Kernbegriff der Primärprävention wurden in den letzten zwei Jahrzehnten fachwissenschaftlich wie praktisch stark beachtet. Bislang hat sich diese Logik aber eher in gesundheitswissenschaftlichen Diskursen durchgesetzt. In der praktischen Präventions- und Gesundheitspolitik, v. a. bei Allokations- und Verteilungsaspekten, gilt dies erst partiell und noch unsystematisch. Insbesondere die Präventionspolitik und das Präventionsgesetz orientieren sich weiterhin vorrangig am eingeführten, von biomedizinischen Logiken und Praktiken geleiteten triadischen Strukturmodell mit seinen Spezifitätserwägungen (siehe oben). Dennoch ist − u. a. angesichts des sozialgesetzlich hervorgehobenen (SGB V § 20) und des vom GKV-Spitzenverband aktiv vertretenen Setting-Ansatzes zur Primärprävention in Betrieben, Kommunen, Kitas und Schulen − ein fortschreitender Bedeutungszuwachs dieser Perspektive abzusehen.

Evidenzbasierung in Prävention und Krankheitsprävention

Es gibt eine stetig wachsende Evidenz für die Wirksamkeit und Kosteneffektivität vieler präventiver Interventionen. Vor allem im Feld der massenhaften („epidemischen“) und durch verhaltensbedingte Lebensweisen hoch bestimmten chronisch-degenerativen Erkrankungen mehren sich nach Leppin (2018) die Hinweise auf eine Effektivitätshierarchie krankheitspräventiver Interventionen zugunsten universeller, bevölkerungsbezogener politisch-struktureller Maßnahmen. Für die Verhinderung bzw. Minderung von Tabakkonsum sowie partiell im Ernährungsbereich ist belegt, dass regulatorisch-fiskalische Interventionen (z. B. Rauchverbote, Steuern) effektiver sind als rein auf individuelle Motivation abzielende edukative Ansätze.

Vergleichbare Effekte zeigen sich auch in der aktuellen Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Regulatorische Interventionen mit Sanktionsoptionen führen zu einer Erhöhung von Impfquoten. Auch bei der Durchsetzung von Kontaktbeschränkungen haben sie eine deutlich höhere und nachhaltigere Wirksamkeit als reine Aufklärungs- und Informationsansprachen.

Konzept und Praxis der Evidenzbasierung (Evidenzbasierte Gesundheitsförderung) werden im Detail im gleichnamigen Stichwort der Leitbegriffe behandelt. Nachfolgend werden – in Kürze und überblickshaft – relevante Passagen des „Memorandum Evidenzbasierte Prävention und Gesundheitsförderung“ der BZgA (De Bock, Dietrich & Rehfuess 2021) sowie die Kernaussagen aktueller Referenzaufsätze aus dem deutschsprachigen Raum herangezogen.

Den Kern von Evidenzbasierung bildet der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit von (präventiven) Interventionen. Evidenz ist keine absolute Größe, sondern ein Kontinuum von Stufen der Wirksamkeit. Wegen der unterschiedlichen Bedeutungen von „Evidence/Evidenz“ im Englischen bzw. Deutschen empfehlen Trojan & Kolip (2021) für den deutschsprachigen Raum die Begriffsverwendung „wissenschaftsbasiert“ bzw. „faktenbasiert“.

Evidenzbasierung meint die Entwicklung, Umsetzung und Bewertung von wirksamen Programmen und Strategien durch gewissenhafte, vernünftige, systematische und transparente Nutzung der gegenwärtig bestmöglichen theoretisch und empirisch ermittelten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Modelle der Interventionsplanung unter Einschluss des Praxiswissens von professionellen Akteurinnen und Akteuren wie auch der jeweiligen Adressatinnen und Adressaten bzw. Zielgruppen (Experten- und Expertinnengruppe „Kölner Klausurwoche“ 2014; Schlömer & Hoff 2020; De Bock, Dietrich & Rehfuess 2021, De Bock & Rehfuess 2021). Eine präventive Intervention ist ausreichend evidenzbasiert, wenn sie drei Kriterien erfüllt:

  • Es gibt eine detaillierte Beschreibung der Maßnahme und ihrer Wirkpfade in einer bestimmten Population und einem bestimmten Kontext.
  • Die Wirksamkeit und Sicherheit ist unter Alltagsbedingungen nachweisbar
  • Es gibt eine Prozessevaluation, die zu Einsichten für eine erfolgversprechende Umsetzung führt.

Interventionen können neben den erwünschten positiven auch negative Effekte haben. Im Einklang mit Mühlhauser (2020) fordern De Bock, Dietrich & Rehfuess, „dass auch potenzielle negative Effekte in einem logischen Modell verankert und als Endpunkte gemessen werden (= Nachweis von Sicherheit)” (2021, S. 527).

Im BZgA-Memorandum wird ein Kontinuum wissenschaftlicher Absicherung aufgefaltet, das zwei eigenständige Kategorien der wissenschaftsbasierten Qualitätssicherung einführt „BZgA Promising Practice“ sowie „BZgA Best Evidence“ (Abb. 1). Für die erste Kategorie müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: „Die Maßnahme ist ausreichend gut beschrieben, um eine Replizierung zu ermöglichen. Es kann plausibel begründet werden, weshalb eine Wirksamkeit der Maßnahme erwartet wird. Eine solche plausible Begründung kann darin bestehen, dass die Maßnahme in Deutschland anerkannte Qualitätskriterien erfüllt (wie z. B. die »Kriterien guter Praxis« der BZgA), eine gut etablierte Wirktheorie vorliegt (z. B. beschrieben durch ein logisches bzw. theoretisches Modell) oder empirische Beobachtungen auf eine Wirksamkeit hinweisen (einfacher Vorher-nachher-Vergleich relevanter Endpunkte)“ (a.a.O., 23). Für die Kategorie „BZgA Best Evidence“ gilt darüber hinaus der Nachweis einer klaren, kausalen Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen.

Krankheitsprävention in der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie

Pandemien sind großflächige Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Sie erhöhen die Morbidität und Mortalität in einem großen geografischen Gebiet stark und verursachen dabei erhebliche wirtschaftliche, soziale und politische Verwerfungen. Die seit Anfang des Jahres 2020 weltweit eingesetzten Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie umfassen ein vielfältiges, nach Risikostatus und sozialer Akzeptanz national und regional abgestuftes Paket aus v. a.: bevölkerungsweiter Immunisierung durch Impf- und Testangebote, berufs- und einrichtungsbezogene Impfpflichten, Regeln zur Alltags- und Einrichtungshygiene, Maskenpflichten, Social/Physical Distancing, Schließungen von Settings und Einrichtungen mit hoher Kontaktdichte (Schulschließungen, Lockdowns an Arbeitsplätzen, Kultur- und vergleichbaren Settings), Kontakt- und Reisebeschränkungen, abgestufte Lockerungen von Restriktionen für Genesene und vollständig Geimpfte, Schutz und präventives serielles Testen von besonders belasteten/gefährdeten Personen und Kollektiven („vulnerable Gruppen“), Einzel- und Cluster-Kontaktnachverfolgungen, Quarantäne und Isolation von Infizierten und Kontaktpersonen, Lockdowns/Shutdowns/“Wellen-Brecher“ im öffentlichen Raum.

Das übergeordnete seuchenpolitische und epidemiologische Ziel ist ein „flattening the curve“ (Abflachen der Infektionskurve) von SARS-CoV2-Ansteckungen, -Krankheitsverläufen, Hospitalisierungen und assoziierten Todesfällen in der Gesamtbevölkerung. Zwei Zielendpunkte (auf einem Kontinuum) werden häufig in der internationalen virologischen Diskussion genannt: „Elimination“ und „Mitigation“ (Lu, Razum, Albrecht et al. 2021; Iftekar, Priesemann, Balling et al. 2021). Ziel der ersten Strategie ist eine vollständige Eliminierung/Eradikation des Erregers und seiner „variants of concern“, von Infektionen und Ansteckungswegen („Zero-Covid-Strategie“). Hierzu zählen auch restriktive Maßnahmen zur frühzeitigen Auslöschung von zunächst örtlich begrenzten Ausbrüchen („extinguishing pandemic sparks“). Dieses radikale, vielfach nur mit autoritären, anhaltend freiheitsbegrenzenden Kollektivmaßnahmen umzusetzende Vorgehen gelingt jedoch nicht immer sicher, ist in verschiedenen Zivilgesellschaften unter Umständen auch politisch bzw. verfassungsrechtlich nicht durchsetzbar oder wird wegen seiner negativen sozialen, rechtlichen und ethischen Begleiterscheinungen explizit nicht gewünscht.

Alternativ wird eine Wandlung der Pandemie in ein kontrollierbares endemisches Geschehen angestrebt – analog zur saisonalen Influenza. Indikatoren sind hier: eine stabile „Herdenimmunität“, niedrige bis minimale Infektionsinzidenzen, Abschwächung der populationsbezogenen Krankheitslast (Entwicklung der Anzahl und Schwere der Erkrankungen), milde bis nur mittelschwere Erkrankungsverläufe auch bei neuen Virusvarianten, hohe Impfquoten in einer Bevölkerung (> 80 %, besser: > 90 %) bei weitgehender Impfakzeptanz, ein zuverlässiges System von nachhaltiger Grundimmunisierung und Impfauffrischungen bei fortgesetzter Einhaltung konsequenter Alltagshygiene- und Schutzregeln, ausreichende Verfügbarkeit von wirksamen Vakzinen mit gesicherter Wirksamkeit/Immunisierung bei (Mehrfach-)Geimpften, gesicherte Funktionsfähigkeit und pandemiebezogene Robustheit des Gesundheitswesens, insbesondere im Hinblick auf die Inzidenz der Hospitalisierungen durch schwere Covid-19-Verläufe, die Aufrechterhaltung kritischer Versorgungs- und Sicherheits-Infrastrukturen für die jeweiligen Bevölkerungen.

COVID-19: Konsequenzen für Präventionsstrategien, Kollateralfolgen

Die Covid-19-Pandemie hat ein Neudenken von Krankheitsprävention erzwungen. Die bewährten, eingefahrenen und strategisch wie methodisch eingeschliffenen Wissens- und Interventionsroutinen der tradierten Krankheitsprävention, etwa gegenüber gut erforschten Risikofaktoren (Risikofaktoren und Risikofaktorenmodell) der nicht-übertragbaren Krankheiten, sind vielfach an die Grenzen von Anwendbarkeit und Umsetzung geraten – das vielfach „just in time“ im Krisenmodus, unter akutem Handlungszwang, ohne abwarten zu können, was langfristige Studien und Evidenzprüfungen ergeben.

Bei allen COVID-19-Maßnahmen hat sich gezeigt: sie sind erst wirksam und nachhaltig, wenn sie die tradierten und individualisierenden Botschaften, Angebote, Ansprechwege/Methoden und Indikatoren von reiner Verhaltensprävention ohne Kontextbezug überschreiten. Erst in der Einheit von Verhältnis- und Verhaltensprävention sind (Krankheits-)Präventionsstrategien wirksam und nachhaltig. Zugleich verhindern sie (bzw. schwächen zumindest ab) die offenkundige Problematik sich vertiefender sozialer und gesundheitlicher Ungleichheiten. Hierzu sei nochmals auf Rosenbrocks Interventionssystematik unter dem Kernbegriff der Primärprävention verwiesen.

Ein mit zunehmender Pandemiedauer gesellschaftlich prekärer werdender Aspekt sind negative Folgewirkungen nicht nur der Pandemie, sondern auch ihrer Bekämpfungsmaßnahmen (Özlü-Erkilic, Kothgassner, Wenzel et al. 2021). Nach knapp zweijähriger globaler COVID-19-Bekämpfung zeigten sich 2021/22 in allen betroffenen Gesellschaften negative Auswirkungen auf psychisches Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit, Gesundheitsverhalten, Belastungserleben und Vulnerabilität, Resilienz und soziale Kohäsion – insbesondere als Langzeitfolgen von langen Lockdowns des gesellschaftlichen, sozialen, schulischen und Arbeitslebens.

Eine europäische Gruppe von Expertinnen und Experten schloss Ende 2021 aus den Daten von 204 Ländern auf global gestiegene Gesundheitslasten und Gesundheitskosten durch psychische Erkrankungen („increased mental health burden“) im Gefolge der Pandemie und ihrer Maßnahmen. Diese äußerte sich v. a. in der Zunahme von depressiven und Angststörungen. Fazit: „Das Auftreten der COVID-19-Pandemie hat ein Umfeld geschaffen, in dem viele Determinanten einer schlechten psychischen Gesundheit noch verschärft werden“ (COVID-19 Mental Disorders Collaborators 2021, S. 1.700 – eigene Übersetzung). Für Deutschland siehe hierzu auch die Ergebnisse der repräsentativen COPSY-Studie (Ravens-Sieberer, Kaman & Otto et al. 2021).

Hinzu tritt eine Verschärfung sozialer (und damit gesundheitlicher) Ungleichheiten aufgrund der pandemischen Lage und ihrer virologisch wie epidemiologisch gebotenen Restriktionen und Verhaltensregeln. Die Vergrößerung sozialer Ungleichheiten in der psychischen Gesundheit erfolgte im Zuge der Pandemie v. a. nach Bildung, unsicherem Einkommen oder Arbeitslosigkeit (ebd.). Ein Rapid Review des Robert Koch-Instituts (RKI) hält fest, dass – unabhängig von Studiendesigns und Ländergrenzen – durchweg ähnliche vulnerable und hoch belastete Gruppen für die Entwicklung bzw. eine Verschlechterung psychopathologischer Symptomatiken beschrieben werden können (Mauz, Eicher, Peitz et al. 2021). Dazu gehören neben Menschen mit psychischen Störungen und dem Gesundheitspersonal vor allem junge Menschen, Frauen oder Familien mit kleinen Kindern.

Eine interministerielle Arbeitsgruppe von Bundesfamilien- und Gesundheitsministerium benannte im Spätsommer 2021 folgende Hoch-Risikogruppen für negative Pandemiefolgen: Kinder und Jugendliche, die bereits vor der Pandemie erhöhte Gesundheits- und Entwicklungsrisiken getragen haben, insbesondere aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status, mit Behinderungen und schweren chronischen Erkrankungen, mit Eltern, die an schweren psychischen Erkrankungen leiden.

Abschließend kam die europäische Expertenkonsultation der Gruppe um Priesemann zu einer – durchaus auf alle Sektoren von Krankheitsprävention generalisierbaren – Schlussfolgerung für Maßnahmenplanung und -bewertung in komplexen Präventionssituationen: „Any strategy needs to balance the damage of being harmed by the virus against the damage by the measures to contain it [Jede Strategie muss den Schaden, der durch das Virus entsteht, gegen den Schaden abwägen, der durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus entsteht]” (Iftekar, Priesemann, Balling et al. 2021, S. 7, eigene Übersetzung).

Sozial- und gesundheitswissenschaftliche Reflexion und Kritik

Es kann keine universellen oder zeitlosen Definitionen von Prävention und Krankheitsprävention geben. Jede Risikobewertung und jede Risikokommunikation legt unterschiedliche Grundüberlegungen (sowie Machtverhältnisse bzw. -konflikte) zu Gesundheit und Krankheit offen. Sie dokumentieren historisch bedingte, gesellschaftlich und professionell veränderbare Deutungs- und Wertungsmuster. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gilt für Deutschland und Mitteleuropa, dass Prävention ideologisch, professionell und organisatorisch einerseits mit der Vorbeugung von Kriminalität und Rechtsverletzungen, andererseits maßgeblich mit Risikoabwehr im gesundheitlichen Bereich von Gesellschaft und gesellschaftlichen Gruppen verbunden wird (Stöckel & Walter 2002; Leanza 2017).

Lebens- und Gesundheitsrisiken sind niemals sämtlich vermeidbar. Alle präventiven Interventionen beruhen auf Vorannahmen und Selektionsentscheidungen. Art und Ausmaß der Risiken und Krankheiten, bei denen eingegriffen wird oder werden soll, zeigen an, welche sozialen Interessen, kulturellen Deutungen und professionellen Machtpositionen im jeweils aktuellen Gesundheitsdiskurs vorherrschen.

Sozial-, kultur- und gesundheitswissenschaftliche Kritikerinnen und Kritiker problematisieren Prävention als potenzielles und reales Instrument sozialer Kontrolle, als Herrschaftstechnik bzw. „Steuerungsdispositiv/Steuerungsregime“ (Bröckling) der Moderne. Sie sehen Menschen „unter dem Radar des herrschenden Aktivierungs- und Optimierungsfurors“ (Schmidt 2019, S. 231). Prävention wird als Sozialtechnologie dechiffriert, im engeren medizinischen Kontext auch als Instrument von Medikalisierung. Ihre Konzepte, Ziele und Maßnahmen wählen bestimmte Zukunftsvorstellungen und Verhaltensnormierungen aus und grenzen zugleich eine Vielfalt anderer Möglichkeiten und alternativer Entfaltungen ab. Damit setzt Prävention Normen, konstruiert Zusammenhänge, fällt Werturteile in Bezug auf Gegenwart und Zukunft. Sie normalisiert, erzeugt aus sich Kollektive und Populationen, die dann zu Adressaten von Kontroll- und Steuerungsmaßnahmen werden. So begründet sie selektive, d. h. sozial inkludierende wie exkludierende Klassifikationen. Soziale Ausschlüsse und Labelingeffekte, etwa durch Fremdzuschreibung von (schuldhaft gewendeter) „Eigenverantwortung“ für Krankheiten, sind zwangsläufig (Wambach 1983; Bröckling 2012; Schmidt 2008 und 2019).

Zum Abschluss seiner BZgA-geförderten historisch-kritischen Studie „Die Zeit der Prävention“ resümiert der Gesundheitssoziologe Leanza: „Alle Prävention erschließt Handlungsmöglichkeiten und bestimmt Handlungspflichten. Insofern verklammert sie die moderne Kontingenz- und Risikokultur miteinander. Wenn Schäden nicht als von außen kommende Gefahren erlebt, sondern auf riskante Handlungen zurückgeführt werden, dann stellen sich Fragen nach Verantwortung, Schuld und Zuständigkeit. Aus der Möglichkeit, das Übel abzuwenden, erwächst der Prävention zugleich die Pflicht, dies auch zu tun.“ (2017, S. 288).

Die Gesundheitswissenschaftlerin Schmidt warnte Anfang des letzten Jahrzehnts 2010 zugespitzt vor einer, im Kontext aktivierender Gesundheitspolitik, zunehmend mächtiger werdenden „Neo-Gesundheitsförderung“. Sie ziele zwar auch auf Befähigung, vor allem aber auf Verpflichtung. Fördernde Befähigung und Unterstützung wandelten sich bei „suboptimaler Leistungserbringung“ umgehend in fordernde Sanktionierung und Aktivierung. Unter dem Regime des „unternehmerischen“ bzw. „präventiven Selbst“ zeige sich gerade im Feld von Gesundheit, Risiko und Krankheit exemplarisch die Tendenz zur totalen bis totalitären Individualisierung und Subjektivierung präventiver Verantwortung. Endpunkt: Mit Hilfe eines subtilen Prozesses der Ablösung von Fremdzwang hin zum Selbstzwang werden Gesundheit und ihre aktive, selbstverantwortliche Erhaltung schleichend zur „humankapitalen Pflicht“ jeder und jedes Einzelnen. Für Schmidt ist es Zeit, „Abstand zu nehmen von der allgegenwärtigen Pflicht zu (körperlich) gesundheitlicher Selbstverbesserung. Sie widerspricht dem Ideal einer inklusiven Gesellschaft, in der es allen Menschen gestattet ist, ihre diversifizierten Gesundheitspotenziale selbstbestimmt zu entfalten“ (2019, S. 231).

Als Handlungsgrundlage für Prävention im Rahmen sozialer, pädagogischer und medizinischer Risikofaktorenmodelle (Risikofaktoren und Risikofaktorenmodell) dient die statistische Korrelation zwischen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Risikopopulation und dem eventuellen Auftreten einer Normabweichung. Eine solche Korrelation beruht auf statistischen Inferenzen und kann, wenn überhaupt, erst im Nachhinein nachgewiesen werden. Risikogruppen sind im Kern epidemiologisch-abstrakte Konstruktionen ohne inneren Zusammenhang.

Ein anschauliches Beispiel formulieren die Herausgeberinnen und Herausgeber des „Referenzwerk Prävention und Gesundheitsförderung“: „Die dem Wirkungsprinzip der Prävention zugrundeliegenden Aussagen und Handlungen beruhen auf einer Wahrscheinlichkeitsbasis. Dabei handelt es sich um mathematische Analysen wie solche der Stärke des statistischen Zusammenhangs („Korrelation“) von einzelnen oder mehreren Risikofaktoren und dem Auftreten von einzelnen oder mehreren Krankheiten in bestimmten Populationen. So kann zum Beispiel statistisch festgestellt werden, dass der Risikofaktor Bluthochdruck in der Bevölkerungsgruppe von über 50-jährigen Männern bei 60 % anzutreffen ist, und dass von diesen 60 % „Risikofaktorträgern“ dreimal so viele Herz-Kreislauf-Krankheiten haben wie die über 50-jahrigen Männer ohne Bluthochdruck (...) Die bisherigen Präventionsstrategien bauen auf quantifizierbaren Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Wirkung eines Risikofaktors für ganze Bevölkerungsgruppen, aber nicht für Einzelpersonen auf. Deswegen kann einem individuellen Menschen als Adressat der Intervention „blutdrucksenkendes Medikament einnehmen“ keine Gewissheit gegeben werden, dass er selbst auch tatsächlich keine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickelt. Hierzu wären Erkenntnisse auf der Basis einer individuellen Risikoanalyse nötig. Solche Erkenntnisse liegen bis heute aber nur vereinzelt vor.“ (Hurrelmann, Richter, Klotz & Stock 2018, S. 26, Hervorhebungen im Original)

Auch in der Gegenwart dominiert in der Krankheitsprävention noch der Fokus auf Verhaltensprävention und einzelne handelnde Subjekte. Bauer & Bittlingmayr bemängeln, dass die wichtige Verbindung mit einer eindeutig strukturorientierten Perspektive − als mindestens gleichgewichtige Referenzfolie − deutlich unterentwickelt ist. Das führe zu problematischen Verzerrungen: „Gerade aber die Annahme, biografisch sehr früh verfestigte Einstellungs- und Mentalitätsmuster konnten durch Kurzzeitinterventionen verändert werden, steht stellvertretend für eine individualisierungstheoretische Verkürzung […] Der Ansatz der Verhaltensprävention geht also von einer unterkomplexen Annahme über die Veränderungsfähigkeit grundlegender Persönlichkeitsmerkmale aus.” (2020, S. 731, Hervorhebungen P.F.)

Problemstellungen, Ethik, Weiterentwicklungen

In der Krankheitsprävention gestaltet sich die Bildung trennscharfer Kategorien und einheitlicher Terminologien immer schwieriger. Die Problematik beruht einerseits auf der Komplexität von Krankheitsätiologien und präventiven Wirkmechanismen. Andererseits wirkt sich die Vielfalt von Interventionen, Organisationen, Settings und Systemen im medizinischen Handlungsfeld aus. Insbesondere die Grenzen zwischen primärer und sekundärer Krankheitsprävention werden durch zunehmend feinere Diagnosemethoden und die Einführung der präventiven bzw. prädiktiven Gendiagnostik (beides hat eine Ausweitung des Krankheitsbegriffs zur Folge) aufgeweicht.

Weitere begriffliche Unschärfen ergeben sich durch die seit den 1990er-Jahren partiell aufgegebene strikte Unterscheidung von Erkrankung und Risikofaktor. So ist die Hypertonie einerseits ein eingeführter Prädiktor für kardiovaskuläre Erkrankungen und den Myokardinfarkt. Sie gilt inzwischen aber auch als manifestes Ereignis mit eigenem Krankheitswert und entsprechender Therapiebedürftigkeit.

Als problematisch ist auch der stetige Prozess der Grenzwertabsenkung für epidemiologische und individuelle „Normalität“ bei diesem und weiteren Hauptrisikofaktoren (Adipositas: BMI, Fettstoffwechsel: LDL-Cholesterin, Triglyzeride) zu werten. Damit geht eine ebenso stetige Ausweitung von aus medizinischer Sicht zu beobachtenden und/oder zu behandelnden „Risikopatientinnen und -patienten“ einher. Nach den Richtwerten der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie für Normotonie und den – 2019 verschärften – Grenzwerten der Dyslipidämie-Leitlinie der European Atherosclerosis Society für LDL-Normcholesterin ist weit mehr als die Hälfte der erwachsenen deutschen und europäischen Bevölkerung aus präventivmedizinischer Sicht „at-risk“ oder direkt behandlungsbedürftig.

Weitgehend unklar sind soziale wie ethische Konsequenzen solcher Pathologisierung und die damit einhergehende Medikalisierung gewöhnlicher Lebensweisen und Lebenserfahrungen durch ausgeweitete Definitionen dessen, was „krank“ bedeutet. Wichtige Diskursfiguren und Konfliktbenennungen in dieser bislang vorrangig im angloamerikanischen und skandinavischen Raum geführten Debatte sind das „Disease-mongering“ (Moynihan, Heath & Henry 2002: das Verbreiten, „Erfinden“ von Krankheiten), eine einhergehende „Excessive prevention“ (Heath 2013), die wachsende Problematik von „Overdiagnosis“ als Auswuchs von „Overdetection“ und „Overdefinition of disease“ mit den Folgen z. T. massenhafter Überbehandlung/Überverordnung (vgl. definitorisch: Brodersen, Schwartz, Heneghan et al. 2018; Woloshin & Kramer 2021; kritisch auch: Vogt 2019 und Mühlhauser 2021).

Rapide biotechnologische Fortschritte rücken seit mehr als zwei Jahrzehnten die prädiktive Medizin mit der neuartigen Möglichkeit genetischer Diagnostik und Selektion in den Vordergrund. Verbreitete Stichworte und Konzepte sind: Prädiktive Medizin, Personalisierte Medizin, „precision medicine“, „high definition medicine“ (zur vertieften Darstellung und Bewertung siehe den Leitbegriff Prädiktive Medizin und individualisierte Medizin). Der heutige Fokus auf verhaltens- und verhältnispräventiver Früherkennung und Frühbehandlung könnte bald abgelöst werden von einer Welle des detektivischen Lesens im Erbgut, der Suche nach (vermeintlich) riskanten Genotypen und Biomarkern. Es ist vorstellbar, dass die − schon immer das Soziale eher ausblendende − präventionsleitende Orientierung auf Verhalten und Lebensweisen in naher Zukunft noch weiter verkürzt wird auf klinische Genomik und „individualisierte Medizin“ mit molekularen Therapeutika. Damit entstünde eine in ihrer Tendenz hermetische Kette von Diagnose, Prognose und Frühbehandlung von genetischen Dispositionen für polygene Krankheiten. Die Folge wäre eine Verlagerung von Beratung und Früherkennung in genetische Detektion und entsprechend prekäre Lebensvoraussagen. Die biomarker-basierte und big-data-getriebene Medizin steht in der Kritik, den „soziale(n) Druck des präventiven Imperativs“ (Dabrock 2016, S. 291) zu erzeugen und zu verstärken.

Die US-Regierungsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) widmet seit 1997 dem Komplex „Public Health Genomics“ einen eigenen Schwerpunkt und eine gesonderte Abteilung. Kernaussage ist, dass neun von zehn Haupttodesursachen in den USA mindestens teilweise vom genetischen Status der Betroffenen (in Interaktion mit Risikoverhalten und Umweltbedingungen) bestimmt würden, so dass der „genetic and family history“ auf Grundlage einer „variety of genome-based tools and tests“ bereits in der Prävention entscheidende Bedeutung zukomme. Bei derzeit an die 200 Krankheitsbildern von unterschiedlichster Typologie gehen die CDC von einem nachweislichen genomischen „health impact“ aus. Dazu zählen sie u. a.: ADHS, Adipositas, Alkoholismus, Alzheimer, Brust- und Eierstockkrebs sowie vielfache weitere Tumorbildungen, Diabetes, Ebola und Malaria, koronare Herzkrankheiten und Schlaganfall, Rheuma, Schlafstörungen und Tuberkulose. Eine Gruppe von CDC-Autorinnen und Autoren um Khoury hat 2018 die Entwicklung aus ihrer Sicht in einem griffigen Slogan zusammengefasst: „From public health genomics to precision public health: a 20 year journey“ (gleichsinnig: Weeramanthri, Dawkins, Baynam et al. 2018).

Durch genetische Prädiktion entsteht ein neuer Patientenstatus wie „healthy ill“ bzw. „potenziell krank“ mit derzeit unabsehbaren Konsequenzen. Gesundheit wird zukünftig vermutlich individuell wie gesellschaftlich wesentlich an das Wissen um genetisch bedingte Dispositionen gebunden sein. Aufgrund der komplexen Risikostruktur genetischer Informationen treffen molekulare Medizin und „Präzisions-Public Health“ auch auf Angst und Skepsis. Ihre zum Großteil probabilistischen, d. h., Wahrscheinlichkeiten abbildenden Ergebnisse und Prognosen, können zur Gefährdung der Privatsphäre und des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, zu Stigmatisierungen und Diskriminierungen auf unterschiedlichsten Ebenen (Arbeitswelt, soziale und private Lebenssicherung) und gegenüber unterschiedlichsten Gruppen führen (genetisches Screening von Ungeborenen, Träger von „Behinderungs-Markern“). Kritische Medizinethiker sagten bereits im vorletzten Jahrzehnt eine „Genetisierung“ der Gesellschaft voraus mit neuen Formen biopolitischer Sozialdisziplinierung (Dabrock & Schröder 2006).

Das Präventionsdilemma

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf das so genannte Präventionsdilemma bzw. „Soziale Dilemma der Gesundheitsförderung“ (Bauer & Bittlingmayer 2020). Dieser Begriff wurde in den 2000er-Jahren in Deutschland aus der Bildungsforschung in die Gesundheitswissenschaften und Präventions(wirkungs)forschung importiert. Im Kern beschreibt er das „Inequality paradox“ der selektiven Inanspruchnahme (siehe Präventionsparadox). Gemeint ist, dass gerade die Adressatinnen und Adressaten, die Zielgruppen mit höherem Vorsorge- oder Frühinterventionsbedarf, eher eine herabgesetzte Akzeptanz und Nachfrage von Präventionsangeboten haben, zudem über eine niedrigere Gesundheitskompetenz (Health Literacy/Gesundheitskompetenz) verfügen. Im Gegensatz dazu fragen sozial und bildungsbezogen besser gestellte Adressatinnen und Adressaten mit höheren Gesundheitschancen und -kompetenzen und eher niedrigeren Bedarfen die Präventionsangebote deutlich stärker nach und nehmen sie eher in Anspruch (siehe Abb. 2 aus einem aktuellen Adipositasbericht für Deutschland).

Das Dilemma zeigt sich insbesondere bei Maßnahmen der Verhaltensprävention. Durch Vernachlässigung der Alltags- und Handlungslogiken der Lebenslagen und Lebensweisen sozial randständiger und strukturell benachteiligter Gruppen (und ihrer Settings) wird deren grundlegende Distanz zu Bildungsangeboten und Vorsorge-Verhaltensimperativen bekräftigt. Damit wird gesundheitliche Ungleichheit strukturell (re)produziert, eine soziale (und nicht zuletzt auch: kulturelle) Polarisierung vertieft. In aktuellen deutschen Public Health-Diskursen wird in diesem Zusammenhang auch ein Partizipationsdilemma angezeigt: Möglichkeiten der Entscheidungsteilhabe wirken besonders gut für Individuen und Gruppen, die sie am wenigsten benötigen. Weniger wirksam sind sie für diejenigen, die am stärksten davon profitieren würden.

Verhältnis zur Gesundheitsförderung, Herausforderungen für die Zukunft

Auch wenn der nosologische Bezug zentral bleibt, braucht jede (krankheits-)präventive Intervention, analog zur Gesundheitsförderung, weitreichende Kenntnisse über Lebensweisen/Lebensstile und Lebenslagen und Lebensphasen der Zielgruppen (Zielgruppen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren) bzw. der Adressatinnen und Adressaten, über ihre Gesundheitskonzepte und alltäglichen Handlungsoptionen sowie die gesicherte Partizipation aller Beteiligten (Partizipation: Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger). Die deutschen Gesundheitsministerinnen und -minister haben bereits 1991 hervorgehoben, dass Gesundheitsförderung erst dann realisiert sei, wenn Verhaltensprävention und Verhältnisprävention miteinander verknüpft werden.

Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung wurden bis Mitte der 1990er-Jahre oft entweder pragmatisch gleichgesetzt oder als ideologisches Gegensatzpaar aufgestellt. Inzwischen hat sich eine differenzierte und auf Integration der gemeinsam zu erzielenden Gesundheitsgewinne hinarbeitende Sichtweise durchgesetzt (siehe die Beiträge im „Referenzwerk Prävention und Gesundheitsförderung“ von Hurrelmann, Richter, Klotz & Stock 2018, Gesundheitsförderung 4: Europäische Union sowie den weiter oben diskutierten Vorschlag zum neuen Leitbegriff Primärprävention).

Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention sind komplementäre, sich ergänzende Formen von Intervention. Sie „lassen sich nicht gegeneinander ausspielen“ (Altgeld & Kolip 2018, S. 59). Zudem sind sie mit dem Inkrafttreten des Präventionsgesetzes 2015 sozialrechtlich und institutionell in der öffentlichen Gesundheitsfürsorge Deutschlands verankert und verlässlich (wenn auch nicht immer ausreichend) grundfinanziert. Beides sind Strategien des gezielten Eingreifens von Individuen, Gruppen, öffentlich oder professionell autorisierten Akteurinnen und Akteuren, um Morbiditäts- und Mortalitätsentwicklungen, die sich epidemiologisch oder anderweitig bei Einzelnen oder Bevölkerungsgruppen abzeichnen, gezielt und überprüfbar zu beeinflussen. Beide Interventionsformen wollen einen individuellen und einen kollektiven Gesundheitsgewinn erzielen. Sie sind zwar im Ansatz und in den Strategien unterscheidbar, ergänzen sich jedoch auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel: der Verbesserung von Gesundheit und gesundheitlicher Chancengleichheit in einer Bevölkerung (Hurrelmann, Richter, Klotz & Stock 2018).

Die Krankheitsprävention begründet ihr Eingreifen vorwiegend pathogenetisch mit der Dynamik der Ausgangsbedingungen und Risiken von spezifischen Krankheiten bzw. Krankheitssyndromen. Die Gesundheitsförderung argumentiert salutogenetisch mit der Dynamik der Entstehung und Erhaltung von Gesundheitsstadien und einem grundlegenden Perspektivenwechsel auf Determinanten für Gesundheit und Wohlbefinden, auf Partizipation, Empowerment und Capacity building/Strukturbildung (Altgeld & Kolip 2018; Loss, Warrelmann & Lindacher 2016). Hurrelmann, Richter, Klotz & Stock bewerten eine scharfe Abgrenzung beider Interventionsformen als „nicht hilfreich“, sogar als „destruktiv“ (2018, S. 28).

Eine wirksame und nachhaltig einflussreiche Internet-Plattform mit einer Übersicht von weit mehr als 2.500 Maßnahmen und Projekten der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung − unter Einschluss der Krankheitsprävention– auf Basis überprüfbarer „Good practice“-Kriterien – findet sich unter www.gesundheitliche-chancengleichheit.de. Sie wird getragen von einem 2003 auf Initiative der BZgA gegründeten bundesweiten Kooperationsverbund gleichen Namens. Die gerade für evidenzbasierte Entscheidungen in der Prävention vielfach handlungsleitenden 12 „Kriterien für gute Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung“ wurden im Juli 2021 überarbeitet und aktualisiert (Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit 2021).

In seinem Ausblick auf „Aussichten für die Zukunft“ benannte Zeeb zum Ende des vergangenen Jahrzehnts drei sektorenübergreifende Herausforderungen für zukünftige (Krankheits-)Prävention und Gesundheitsförderung:

  • Die wachsende Komplexität der gesundheitlichen, sozialen, wirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge anerkennen und Systemansätze als Antworten auf diese Komplexität entwickeln
  • Bürgerrechte und individuelle Freiheiten wahren und möglichen Tendenzen zu einer „Gesundheitsdiktatur“ entgegenwirken
  • Diversität als Herausforderung sehen und Stigmatisierungen und soziale Ungleichheit bzw. Ungleichbehandlungen verhindern

Zeeb betont die Notwendigkeit einer verstärkten Orientierung an Systemansätzen. Dies sei eine „nicht mehr auszublendende Antwort“ auf die wachsende Komplexität aller gesundheitlichen, sozialen, wirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge bei den zentralen Public Health-Problemen. Ohne dass der Autor dies zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im „Referenzwerk Prävention und Gesundheitsförderung“ überhaupt benennen konnte, wirkt die Aussage auch wie eine Vorhersage der aktuellen Herausforderungen (und Problemfelder) in der Covid-19-Pandemie und ihrer Prävention und Bekämpfung: „Dahinter steht ein Grundverständnis von gesundheitlicher Ungleichheit und mangelhafter Gesundheit als Ergebnis des Zusammenspiels vieler verschiedener, aber miteinander verbundener Elemente. Das Zusammenspiel kann auf vielschichtige, nicht immer offensichtliche Weise erfolgen. Entsprechendes ist von Interventionen in derartige komplexe Systeme zu erwarten – sie können unerwartete Folgen haben, anders wirken als bei einer eher linearen Betrachtung erwartet, und über Feedbackschleifen zu einer Verstärkung oder auch Abschwächung der Wirkung auf Bevölkerungsebene führen. In dieser Gedankenwelt liegt der Fokus auf Nichtlinearität und auf Interaktion zwischen verschiedenen Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung oder des gesundheitlichen Versorgungssystems.“ (Zeeb 2018, S. 504, Hervorhebung P.F.)

Zeeb prognostizierte schon 2018 veränderte Schwerpunkte für die Wirkungs- und Implementationsforschung. Es könne nicht mehr ausschließlich um die isolierte Untersuchung, Detektion und (Früh-)Behandlung einzelner Risikofaktoren gehen. Wesentlich stärker müsse auf Systemzusammenhänge und systemische Wirkungen von Präventionsmaßnahmen geachtet werden (gleichsinnig zur Zukunft von COVID-19-Präventionsmaßnahmen: Iftekar, Priesemann, Balling et al. 2021).

Noch weitergehender hat der kanadische Pionier der Gesundheitsförderung Hancock in jüngster Zeit gefordert, die Aufmerksamkeit auf „One Health“ bzw. „Planetary Health/Planetare Gesundheit“ zu richten. Planetary Health befasst sich mit allen Zusammenhängen zwischen der menschlichen Gesundheit, den politischen, ökonomischen, sozialen Systemen und den Ökosystemen, von denen die Existenz der menschlichen Zivilisation abhängt (Müller, Jahn & Gabrysch 2018; Prescott, Logan, Albrecht et al. 2018). Umsetzung und Verwirklichung des multipolaren und multidimensionalen „One Health“-Ansatzes sei die „most important task facing health promotion in the 21st century“ (Hancock 2021, S. i53).

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Verweise:

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