Gesundheitsschutz

Joseph Kuhn , Andreas Böhm

(letzte Aktualisierung am 22.01.2024)

Zitierhinweis: Kuhn, J. & Böhm, A. (2024). Gesundheitsschutz. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i059-3.0

Zusammenfassung

Der Gesundheitsschutz umfasst konkret definierte und gesetzlich geregelte Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Menschen. Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzip bilden die Handlungsgrundlagen des Gesundheitsschutzes, der sich in nahezu alle Lebensbereiche erstreckt. So spielt er etwa in den Bereichen Arbeitsschutz, Infektionsschutz, Katastrophenschutz, Verbraucherschutz, Verkehrssicherheit oder Überwachung von Gesundheitsberufen eine wesentliche Rolle.

Schlagworte

Arbeitsschutz, Infektionsschutz, Trinkwasserschutz, Arzneimittelsicherheit, Lebensmittelsicherheit


Unter dem Begriff Gesundheitsschutz werden Maßnahmen verstanden, die der Abwehr von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Menschen dienen und die in der Regel auf einer rechtlichen Grundlage beruhen. Aus diesen beiden Definitionsmerkmalen lassen sich bereits einige Abgrenzungen zur Gesundheitsförderung ablesen. Anders als der Gesundheitsförderung liegt dem Gesundheitsschutz ein pathogenetischer, d. h. auf krankmachende Faktoren orientierter Handlungsansatz zugrunde (Salutogenese). Des Weiteren ist der Gesundheitsschutz durch Handlungspflichten geprägt, d. h. es wird in die Privatsphäre von Menschen bzw. die Gestaltungsautonomie von Institutionen eingegriffen. Daher ist eine differenzierte Rechtsgrundlage für diese Eingriffe erforderlich, die es in dieser Form für die Gesundheitsförderung nicht gibt.

Geschichte des Gesundheitsschutzes

Historisch ist der Gesundheitsschutz vor allem durch eine gesundheitspolizeiliche Tradition geprägt. Maßnahmen des Gesundheitsschutzes wurden ursprünglich nicht eingeführt, um die Gesundheit des Individuums zu schützen, sondern um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, vor allem im Hinblick auf den Ausbruch von Seuchen. Vorschriften zur Seuchenbekämpfung gehören zu den ältesten Gesundheitsschutzmaßnahmen; sie finden sich bereits im Altertum, beispielsweise in der Bibel. Einen Aufschwung haben gesundheitspolizeiliche Maßnahmen ab dem Mittelalter im Zusammenhang mit den Pestepidemien erfahren, z. B. etwa im Hinblick auf die Einführung von Quarantänemaßnahmen und Hygienevorschriften.

Die im Industriezeitalter entstandene Ausdifferenzierung des Gesundheitsschutzes sowie der mit dem Aufstieg des Bürgertums verbundene größere Stellenwert der körperlichen Unversehrtheit des Individuums führten zu einem Begründungswandel des Gesundheitsschutzes: weg von der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, hin zum Schutz der Gesundheit der Einzelnen. Aus der Geschichte des Gesundheitsschutzes erklärt sich, warum die staatliche Gesundheitsverwaltung früher bei den Innenministerien – also den Polizeiministerien – angesiedelt war. Selbstständige Gesundheitsministerien sind historisch neuen Datums. Das Bundesministerium für Gesundheit gibt es z. B. erst seit 1961.

Gesundheitsschutz als staatliche Sorge

In Deutschland ergibt sich die Verpflichtung des Staates, für Maßnahmen des Gesundheitsschutzes Sorge zu tragen, aus dem Grundgesetz: Demnach sind Leben und Gesundheit des Einzelnen nach Art. 2 Abs. 2 GG („Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“) zu schützen. Die Gesetzgebungskompetenz liegt dabei sowohl beim Bund als auch bei den Ländern.

Zudem sind inzwischen für viele Bereiche des Gesundheitsschutzes EU-Vorschriften richtungsweisend, vom Arbeitsschutz bis hin zur Lebensmittelsicherheit. Artikel 168 Absatz 1 des „Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)“ sieht vor, dass bei allen Unionspolitiken „ein hohes Maß an Gesundheitsschutzniveau sichergestellt“ wird, auch wenn die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die Gesundheitspolitik, die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt bleiben muss (Art. 168 Abs. 7 AEUV).

Maßnahmen des Gesundheitsschutzes

Ziel von Maßnahmen des Gesundheitsschutzes sind heute nahezu alle Bereiche des Lebens. Zu nennen sind zum Beispiel:

  • Arbeitsschutz (bezüglich Arbeitsstätten, Arbeitsplätze, Arbeitsmittel, Arbeitszeiten etc.)
  • Gesundheitlicher Verbraucherschutz (zur Sicherheit von Lebensmitteln, Produkten, Arzneimitteln etc., künftig vermehrt auch von Gesundheitsdatenschutz)
  • Umweltbezogener Gesundheitsschutz (bezüglich Immissionsschutz, Strahlenschutz, Anlagensicherheit, Betriebssicherheit etc.)
  • Infektionsschutz
  • Katastrophenschutz
  • Verkehrssicherheit
  • Überwachung der Gesundheitsberufe

Dabei folgt man im Wesentlichen drei Handlungsprinzipien (Tab. 1).

Vorsorgeprinzip

Die Gefahren sollen erkannt und abgewendet werden, bevor sie Schaden verursacht haben.

Verursacherprinzip

Die Verantwortung für die Gefahrenabwehr soll nach Möglichkeit der Verursacher tragen.

Kooperationsprinzip

Behörden, Verursacher und andere Beteiligte wirken bei der Gefahrenabwehr zusammen.

Tab. 1: Primäre Handlungsprinzipien des Gesundheitsschutzes

Bereiche des Gesundheitsschutzes

Um diese Handlungsprinzipien zu verdeutlichen, werden fünf Bereiche des Gesundheitsschutzes im Folgenden exemplarisch beschrieben: Arbeitsschutz, Infektionsschutz, Trinkwasserschutz, Lebensmittelhygiene, Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten.

1 Arbeitsschutz

Der Begriff umfasst nach § 2 Abs. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) von 1996 (seitdem mehrmals geändert bzw. angepasst an europäische Regelungen) „Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit“. In zahlreichen Einzelvorschriften des Arbeitsschutzrechts sind in Konkretisierung dieser Rahmenvorschrift z. B. Regelungen zur Gestaltung von Arbeitsstätten, zum Umgang mit Gefahrstoffen, zur Handhabung von Lasten, zum Schutz besonderer Personengruppen (Schwangere, Jugendliche etc.) oder zur Dauer der Arbeitszeit getroffen. Normadressaten des Arbeitsschutzgesetzes und der anderen Rechtsvorschriften sind im Wesentlichen Arbeitgeber, weil sie auf der betrieblichen Ebene in erster Linie für die Sicherstellung des Arbeitsschutzes verantwortlich sind.

Auf der überbetrieblichen Ebene ist das deutsche Arbeitsschutzsystem von einem Dualismus zwischen staatlichem Arbeitsschutz und selbstverwaltetem Arbeitsschutz durch die Unfallversicherungsträger geprägt. Das 7. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VII) enthält für die Unfallversicherungsträger weitreichende Pflichten zur Prävention, die über die entschädigungsrelevanten Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten hinaus auch die arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren betreffen. Als Rahmen der Verständigung der Akteurinnen und Akteure auf gemeinsame Arbeitsschutzziele wurde 2008 im Arbeitsschutzgesetz und im SGB VII die „Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie“ festgelegt.

Das Arbeitsschutzgesetz schreibt für den modernen Arbeitsschutz eine problemorientierte Vorgehensweise vor, d. h. Arbeitgeber sollen sich einen Überblick über die gesundheitlichen Gefährdungen an den Arbeitsplätzen verschaffen, diese in ihrer Relevanz beurteilen und festlegen, ob und welche Maßnahmen als Abhilfe vorzusehen sind (§ 5 ArbSchG). Damit soll vermieden werden, dass sich Arbeitgeber in ihrem Arbeitsschutzhandeln lediglich auf das Einhalten formaler Arbeitsschutzvorschriften konzentrieren und die tatsächliche Gefährdungssituation im Betrieb in den Hintergrund tritt. Für die Beschäftigten sieht das Arbeitsschutzgesetz sowohl Mitwirkungsrechte als auch Mitwirkungspflichten im Bereich Arbeitsschutz vor.

Eine wichtige Vorschrift zur Organisation des innerbetrieblichen Arbeitsschutzsystems stellt das Arbeitssicherheitsgesetz von 1973 dar. Es legt fest, dass die Betriebe Betriebsärzte bzw. -ärztinnen und Fachkräfte für Arbeitssicherheit verpflichten müssen. Den zeitlichen Betreuungsumfang legen die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) in ihren Unfallverhütungsvorschriften fest. In Kleinbetrieben ergeben sich aus dem relativ geringen Betreuungsumfang erhebliche Probleme in der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung. Hierzu befinden sich neue Formen der Kleinbetriebsbetreuung in der Umsetzung (z. B. das „Unternehmermodell“).

Für die Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes spielen heute zum einen internationale Standards eine immer wichtigere Rolle – sie werden vor allem durch EU-Vorschriften allen Mitgliedsländern einheitlich vorgegeben. Zum anderen kommt der Arbeitsschutzforschung große Bedeutung zu, getragen z. B. durch arbeitsmedizinische Institute an Hochschulen, Forschungsinstitute der Unfallversicherungsträger oder durch staatliche Forschungseinrichtungen wie z. B. der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

2 Infektionsschutz

Mit dem Infektionsschutzgesetz (IfSG, Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften) aus dem Jahr 2000 (in Kraft getreten 2001) soll übertragbaren Krankheiten vorgebeugt, Infektionen frühzeitig erkannt und ihre Weiterverbreitung verhindert werden. Zu den Aufgaben verschiedener Akteurinnen und Akteure im Infektionsschutz siehe Tab 2.

Akteure

Aufgaben

Niedergelassene Ärzte/Ärztinnen und Krankenhäuser

Diagnose, Therapie, Belehrung, Beratung, Meldung an die Gesundheitsämter bei meldepflichtigen Krankheiten, Impfungen.

Labore

Meldung an die Gesundheitsämter bei meldepflichtigen Nachweisen von Krankheitserregern.

Gesundheits­ämter

Maßnahmen zur Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten, Belehrung zu hygienisch zweckmäßigen Verhaltensweisen, Ermittlung des Impfstatus und Schließen von Impflücken, Trinkwasser-, Schwimmbeckenwasser- und Badegewässerüberwachung, Überprüfung von Hygienestandards z. B. in Krankenhäusern, Pflege- und Gemeinschaftseinrichtungen.

Obere und oberste LandesbehördenPrüfung und Bewertung von Verdachts-, Erkrankungs- oder Todesfällen und Nachweisen von Krankheitserregern. Beratung und Unterstützung der Gesundheitsämter, Auswertung der Meldedaten und Bereitstellung der Auswertungen für die Gesundheitsämter.

Robert Koch Institut (RKI)

Konzeptionen zum Infektionsschutz, Erstellung und Fortschreibung von Falldefinitionen für die Bewertung von Verdachts-, Erkrankungs- oder Todesfällen und Nachweisen von Krankheitserregern, Beratung auf Ersuchen der obersten Landesgesundheitsbehörden, Richtlinien zum vorbeugenden Gesundheitsschutz, Auswertung von Meldedaten und Bereitstellung der Daten für verschiedene Akteurinnen und Akteure, Zusammenarbeit mit dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Tab. 2: Akteurinnen und Akteure und ihre Aufgaben im Infektionsschutz (Beispiele)

Infektionsschutz ist nie nur eine Frage der Vermeidung von Infektionskrankheiten, sondern eine Public Health-Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Dies ist in der Coronakrise deutlich geworden durch die Folgen für Schulen, die Wirtschaft, die Situation in den Heimen, in der eingeschränkten Verfügbarkeit von Versorgungseinrichtungen und durch die mit der Pandemie und den Infektionsschutzmaßnahmen verbundenen gravierenden psychischen Belastungen.

Weitere wichtige Institutionen mit Aufgaben beim Infektionsschutz, deren Rechtsgrundlage in anderen Vorschriften als dem Infektionsschutzgesetz geregelt ist, sind z. B. die Behörden der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung oder die Arbeitsschutzbehörden. Neben den hier genannten Maßnahmen gibt es einen individuellen Spielraum für den Infektionsschutz, z. B. sich impfen lassen, Beachtung von Hygieneregeln und eine gesunde Lebensweise, die die allgemeine Infektabwehr stärkt.

3 Trinkwasserschutz

Wichtige gesetzliche Grundlagen des Trinkwasserschutzes sind §§ 37–40 des Infektionsschutzgesetzes und die Trinkwasserverordnung (TrinkwV), mit der die EG-Richtlinie Trinkwasser umgesetzt wird. In der Trinkwasserverordnung werden u. a. die Anforderungen an Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser) festgelegt, die Pflichten der Wasserversorgungsunternehmen sowie die Pflichten und Rechte der Gesundheitsämter als zuständiger Überwachungsbehörde.

Die TrinkwV vom Juni 2023 ist unter anderem an einem risikobasierten Trinkwasserschutz orientiert, führt neue Parameter ein (u. a. für die Industriechemikalien der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, ⁠PFAS⁠) und legt niedrigere Grenzwerte für Schadstoffe wie Chrom, Arsen und Blei fest. Wasserversorger sind verpflichtet, einer Strategie der Risikoabschätzung zu folgen und die gesamte Wasserversorgungskette von der Wassergewinnung und -aufbereitung über die Speicherung und Verteilung bis hin zur Trinkwasserentnahme zu kontrollieren.

Trinkwasser muss frei von Krankheitserregern, genusstauglich und rein sein (TrinkwV). Dieses Erfordernis gilt als erfüllt, wenn bei der Förderung, Aufbereitung und Verteilung die allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mikrobiologischen und chemisch/physikalischen Grenzwerte/Anforderungen eingehalten sind. Die Qualität des Trinkwassers wird in vorgeschriebener Weise in Eigenkontrollen durch die Wasserversorgungsunternehmen und durch amtliche Kontrollen der Gesundheitsämter überwacht. Maßnahmen für den Fall der Nichteinhaltung von Grenzwerten/Anforderungen sind in der TrinkwV ebenfalls festgelegt. Die Verantwortung der Gesundheitsämter hat sich mit der novellierten TrinkwV erhöht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind über die Qualität des Wassers durch die Wasserversorgungsunternehmen zu informieren.

4 Lebensmittelsicherheit und -hygiene

Ein zunehmend wichtiger Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes betrifft die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, z. B. im Hinblick auf lebensmittelbedingte Infektionen, Kontaminanten, Rückstände (z. B. Pestizide), Fremdkörper oder problematische Inhaltsstoffe.

Auf europäischer Ebene wurde 2002 die EU-Basisverordnung zum Lebensmittelrecht (Verordnung [EG] Nr. 178/2002) erlassen, die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts, die Einrichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und einige Verfahrensfragen (Schnellwarnsystem, Krisenmanagement und Notfälle) regelt. Im sogenannten „Hygienepaket“ wurden 2004 verschiedene EU-Verordnungen erlassen (VO [EG] Nr. 852/2004, VO [EG] Nr. 854/2004), die u. a. die von den Herstellern einzuhaltende Anforderungen enthalten.

Die Primärverantwortung für die Sicherheit der Lebensmittel und die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen liegt beim Lebensmittelunternehmer; die Erfüllung dieser Vorgaben wird von der amtlichen Lebensmittelüberwachung risikoorientiert kontrolliert. Durch Einführung der VO [EG] Nr. 882/2004, die Ende 2019 durch die VO (EU) 2017/625 abgelöst wurde, wurden einheitliche Vorgaben für die amtlichen Kontrollen geschaffen. Ein wichtiges Instrument in diesem Zusammenhang ist das Hazard Analysis and Critical Control Points-Konzept (HACCP-Konzept, BFR 2021), das die Festlegung und Überwachung von kritischen Punkten in der Lebensmittelproduktion im Verantwortungsbereich des Unternehmers vorsieht. Damit folgt die Lebensmittelsicherheit einer ähnlichen Logik wie die oben erwähnte Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutz.

Mit der ab Dezember 2014 geltenden Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) ist auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln europaweit vereinheitlicht. Die Lebensmittelinformation soll explizit auch „einem umfassenden Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher“ dienen (Art. 3 Abs. 1 LMIV).

Neben einem repressiven Vorgehen bei der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften (z. B. Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren bzw. Veranlassung strafrechtlicher Verfolgung) wird die amtliche Lebensmittelüberwachung auch präventiv und beratend tätig.

Die im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch von 2005 (LFGB) genannten Überwachungsmaßnahmen sind Ländersache und werden dort in unterschiedlicher Zuständigkeit umgesetzt. Auf der mittleren und unteren Behördenebene wird das LFGB je nach Struktur der einzelnen Bundesländer durch Bezirksregierungen, Kreisverwaltungsbehörden und Fachbehörden (z. B. Untersuchungsämter) umgesetzt.

5 Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten

Zum Gesundheitsschutz gehört auch die Kontrolle der Arzneimittel, Blutprodukte sowie Medizinprodukte. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind die Richtschnur für diesen gesundheitlichen Verbraucherschutz. Für neuartige Arzneimittel gibt es eine zentrale Zulassung in Europa durch die EMA (European Medicines Agency). In Deutschland werden nationale Zulassungen durch das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) bzw. das PEI (Paul-Ehrlich-Institut) erteilt.

Auf Länderebene werden Überwachungsaufgaben geleistet. Dazu gehören beispielsweise Inspektionen bei pharmazeutischen Unternehmen, bei Großhändlern und in Krankenhausapotheken. Auch die Überwachung von klinischen Prüfungen und die Überwachung des Rückrufs qualitätsgeminderter Arzneimittel bis hin zur Warnung der Bevölkerung in Fällen von regional übergeordneter Bedeutung ist Aufgabe der Landesbehörden. In Zusammenarbeit mit den Zollbehörden wird der Import von Arzneimitteln kontrolliert.

Finanziert wird die Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten durch den Bund (Zulassung), die Länder (Überwachung) und die pharmazeutischen Unternehmen (Gebühren für die Zulassung und Überwachung). Eine wichtige Rolle für eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Arzneimitteln im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung spielt seit 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das u. a. die Evidenz für den Nutzen neuer Arzneimittel prüft.

Entwicklungstendenzen und Probleme

Deutschland hat im Gesundheitsschutz ein hohes Niveau erreicht. Viele Bereiche sind durch Rechtsvorschriften erfasst und im Hinblick auf Zuständigkeiten der Überwachung und Durchführung geregelt. Es stehen qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung, und die Akzeptanz der meisten Maßnahmen in der Bevölkerung ist gut. Es zeichnen sich jedoch auch einige Entwicklungen ab, deren Konsequenzen in den nächsten Jahren systematischer aufgegriffen werden müssen. Hier sei auf vier solcher Entwicklungen hingewiesen:

  • Die Globalisierung der Märkte erfasst auch den Gesundheitsschutz (Global Health/Globale Gesundheit). In der Folge ist das Gesundheitsschutzsystem zunehmend mit der Kontrolle und Überwachung von Produkten oder Unternehmen aus anderen Ländern und anderen Rechtssystemen konfrontiert. Um dieser Anforderung angemessen nachkommen zu können, fehlen vielfach noch die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen. Ein anderer Aspekt der Globalisierung besteht für den Gesundheitsschutz darin, dass er in vielen Bereichen zugunsten der Vereinheitlichung von Wirtschafts- und Sozialräumen an internationalen Standards ausgerichtet werden muss. Dabei muss es in Zukunft auch mehr darum gehen, die Qualität des Gesundheitsschutzes nach Gesichtspunkten des Benchmarkings an positiven Beispielen zu orientieren und nicht zu nivellieren. Des Weiteren sind internationale Lieferketten bei Medikamenten und Medizinprodukten oft nicht krisenfest und müssten resilienter werden. Die Coronakrise hat auch hier Handlungsbedarf erkennen lassen.
  • Die rechtliche Normierung des Gesundheitsschutzes ist für eine Eingriffsverwaltung unverzichtbar, in einigen Bereichen aber nach wie vor unzureichend und schränkt die Handlungsmöglichkeiten des Staates spürbar ein. In anderen Bereichen besteht dagegen eine Normenvielfalt, die auch von Fachleuten nicht mehr vollständig durchdrungen wird. Hier ist es erforderlich, zu einer neuen Balance zwischen einer verlässlichen rechtlichen Grundlegung des Gesundheitsschutzes und einem transparenten und praktikablen Normensystem zu kommen. Damit einher geht die Notwendigkeit, anstelle der Überwachung von rechtlich geregelten Detailvorgängen eher eine übergeordnete Ergebnis- und Systemkontrolle durchzuführen. Dabei sollen im Vorfeld die „Erzeuger von Gefahren“ mehr Eigenverantwortung in der Gefahrenabwehr übernehmen. Im Verhältnis zwischen Gesundheitsschutzbehörden und ihrer Klientel gewinnen dadurch beraterische Elemente gegenüber Überwachungs- und Sanktionstätigkeiten an Gewicht.
  • Die Digitalisierung im Gesundheitswesen (Digitalisierung in Prävention und Gesundheitsförderung) betrifft auch den Gesundheitsschutz in vielerlei Hinsicht. Auch hier gilt es, Nutzen und Risiken zu beobachten, den Nutzen zu erhöhen und die Risiken zu verringern. Zwei Beispiele zur Veranschaulichung: In der Coronakrise haben Digitalisierungsdefizite die zeitnahe Reaktion auf die Entwicklung immer wieder erschwert, etwa was Daten über die Belastung des Gesundheitswesens oder der Wirtschaft durch die Pandemie anging. Deutschland war hier nicht auf dem gebotenen Niveau des 21. Jahrhunderts. Ein zweites „Lernfeld“ ist der Aufbau des Europäischen Gesundheitsdatenraums, der einerseits Daten aus der Versorgung besser für Forschung und Politik verfügbar machen soll, andererseits in der Verantwortung steht, hochsensible Daten möglichst gut zu schützen und die wiederholten Fälle des Hackens von Daten bei Krankenversicherungen und anderen datenhaltenden Stellen nicht zu ignorieren, sondern als use cases für einen besseren Datenschutz zu sehen.
  • Mit dem eingangs beschriebenen Wandel vom Schutzziel „Öffentliche Ordnung“ hin zum Schutzziel „Gesundheit“ geht auch ein Wandel einher von der direkten Gefahrenabwehr hin zur Sicherung der Qualität von Produkten, Verfahren und Lebensbedingungen (Nachhaltigkeit und nachhaltige Gesundheitsförderung). Das Schutzniveau beschränkt sich nicht mehr auf die Mindestanforderungen einer unmittelbaren Gefahrenabwehr. Die Entwicklung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist dafür ein prägnantes Beispiel. Je mehr aber Qualitätsgesichtspunkte im Vordergrund stehen, desto problematischer wird die rechtliche Durchsetzbarkeit von Normen auf der Ebene der Einzelkontrolle bzw. -überwachung, weshalb andere Regelungsmechanismen entwickelt werden müssen.
  • Hinter der bereits erwähnten Umorientierung des Gesundheitsschutzes von der flächendeckenden Kontrolle und Überwachung aller Details hin zu einem Ansatz, der mehr auf Systemkontrolle und auf Beratung setzt, stehen neben den erwähnten inhaltlichen Überlegungen auch die Sparzwänge der öffentlichen Haushalte. Der Umbau des Gesundheitsschutzes geht daher vielerorts mit einem Abbau einher. Es kommt jedoch darauf an, den Gesundheitsschutz in seiner Qualität zu erhalten, seine Strukturen zukunftsorientiert weiterzuentwickeln und dabei insbesondere auch den Öffentlichen Gesundheitsdienst nicht zum Symbol eines verarmten „Nachtwächterstaats“ im 21. Jahrhundert werden zu lassen.

Literatur:

BFR − Bundesinstitut für Risikobewertung (2021). Fragen und Antworten zum Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)-System. Zugriff am 22.01.2024 unter www.bfr.bund.de/cm/350/fragen_und_antworten_zum_hazard_analysis_and_critical_control_point__haccp__konzept.pdf.

Weiterführende Quellen

Razum, O. & Kolip, P. (2020). Handbuch Gesundheitswissenschaften. 7. Auflage, Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

Roller, G. & Wildner, M. (Hrsg.) (2024). Lehrbuch Öffentliche Gesundheit. Bern: Hogrefe-Verlag.

Schwartz, F. W., Walter, U., Siegrist, J. et al. (Hrsg.): Public Health. 4. Auflage, Elsevier: München.

Internetadressen:

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: www.baua.de

Bundesinstitut für Risikobewertung: www.bfr.bund.de

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung: www.dguv.de

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie: www.gda-portal.de

Robert Koch-Institut: www.rki.de

Verweise:

Digitalisierung in Prävention und Gesundheitsförderung, Global Health / Globale Gesundheit, Nachhaltigkeit und nachhaltige Gesundheitsförderung, Salutogenese