Gesundheitsberatung

Elisabeth Krane , Susanne Linden

(letzte Aktualisierung am 15.09.2020)

Zitierhinweis: Krane, E. & Linden, S. (2020). Gesundheitsberatung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i027-1.0

Zusammenfassung

Die professionelle Gesundheitsberatung unterstützt Menschen bei Gesundheitsthemen und -problemen. Mittels wissenschaftlich fundierter und primär psychologischer und sozialer Methoden werden Veränderungsprozesse auf personaler Ebene angeregt und unterstützt, mit dem Ziel, die Gesundheit zu fördern, Krankheiten zu verhindern und bei der Krankheitsbewältigung zu helfen. Auf personaler Ebene findet die Gesundheitsberatung derzeit in vier Feldern statt: (1) durch Fachleute verschiedener Professionen, (2) in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Rehabilitationseinrichtungen oder Betrieben, (3) durch Verbraucherinformation und Patientenberatung sowie (4) im Internet. Von der personalen Gesundheitsberatung unterschieden wird die gesundheitsbezogene Institutions- und Politikberatung, die z. B. im betrieblichen Gesundheitsmanagement eine Rolle spielt.

Schlagworte

personale Gesundheitsberatung, gesundheitsbezogene Institutions- und Politikberatung, ärztliche Präventionsempfehlung, Patientenberatung, Online-Gesundheitsberatung


Gesundheitsberatung kann definiert werden als professionelle Beratung, die sich auf Gesundheitsthemen und Gesundheitsprobleme bezieht. Mittels wissenschaftlich fundierter und primär psychologischer und sozialer Methoden werden Veränderungsprozesse auf personaler Ebene angeregt und unterstützt mit dem Ziel:

  • Gesundheit zu fördern,
  • Krankheiten zu verhindern und
  • bei der Bewältigung einer Krankheit zu unterstützen.

Damit geht Gesundheitsberatung über reine Informationsvermittlung und konkrete Ratschläge und Verhaltensanweisungen hinaus. Sie unterstützt die Entwicklung persönlicher Kompetenzen, wie sie in der Ottawa-Charta der WHO (Gesundheitsförderung 1) als eines von fünf vorrangigen Handlungsfeldern der Gesundheitsförderung benannt wird. Menschen sollen befähigt werden, mehr Einfluss auf ihre eigene Gesundheit und ihre Lebenswelt auszuüben sowie mit Veränderungen in verschiedenen Lebensphasen, mit psychischen Belastungen, chronischen Erkrankungen und Behinderungen umzugehen. Gesundheitsberatung in diesem Sinne kann somit grundsätzlich auch einen Beitrag zur Verringerung sozial bedingter ungleicher Gesundheitschancen leisten.

Gesundheitsberatung orientiert sich an der individuellen Lebenslage und unterscheidet sich von den oft synonym verwendeten Begriffen Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung sowie Gesundheitsbildung. Von der Gesundheitsberatung auf personaler Ebene lässt sich die gesundheitsbezogene Institutions- und Politikberatung abgrenzen. Ziel der Institutions- und Politikberatung ist es, die gesündere Wahl bzw. Entscheidung zur leichteren Wahl bzw. Entscheidung zu machen (Gesundheitsförderung 1). Dementsprechend ist sie u. a. eine wesentliche Strategie im Settingansatz/Lebensweltansatz, z. B. für die Organisationsentwicklung als Methode der Gesundheitsförderung. In der Praxis zeigt sich die Institutionsberatung z. B. in den Maßnahmen zur  Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) (Gesundheitsförderung und Betrieb). Institutions- und Politikberatung sollte wesentliches Ziel und Aufgabe von Gesundheitsämtern sein – insbesondere solchen, die im Gesunde-Städte-Projekt bzw. -Netzwerk mitarbeiten (Gesundheitsförderung und Gesunde – Soziale Stadt – Kommunalpolitische Perspektive). Sie spielt jedoch in der Programmatik der offiziellen Programme eine größere Rolle als in der Gesundheitsförderungspraxis.

Gesundheitsberatung auf personaler Ebene erfolgt zurzeit vor allem in vier Feldern:

  • Gesundheitsberatung durch Fachleute verschiedener Professionen
  • Gesundheitsberatung in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Einrichtungen der Rehabilitation, in Betrieben und anderen Settings
  • Verbraucherinformation und Patientenberatung
  • Gesundheitsberatung im Internet

Gesundheitsberatung durch Fachleute verschiedener Professionen

Zu den Berufsgruppen, die Gesundheitsberatung ausüben, gehören v. a. Ärztinnen und Ärzte Psychologinnen und Psychologen, Apothekerinnen und Apotheker sowie Pflegekräfte. Früher dominierten medizinische und biologisch orientierte Themen. Zusammen mit der Entwicklung der Gesundheitsförderung erweiterte sich das Themenspektrum um psychologische, soziale, pflegerische und andere Themen, z. T. in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Auch Angehörige anderer Fachgebiete wie Pädagogik, Ökotrophologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sportwissenschaft beraten innerhalb ihres sonstigen Aufgabenbereichs in Fragen der Gesundheit.

Seit 1989 (Gesundheitsreformgesetz, GRG)ist die ärztliche Gesundheitsberatung bei Untersuchungen zur Vorsorge und Krankheitsfrüherkennung bzw. im Rahmen der Gesundheitsuntersuchungen gesetzlich verankert und integraler Bestandteil der kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung (§§ 25 und 26 SGB V). Mit dem 2015 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Gesundheitsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gemäß §§ 25 und 26 SGB V sowie im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorge oder einer sonstigen Untersuchung schriftliche Empfehlungen für individuelle verhaltensbezogene Leistungen zur Primärprävention gemäß § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB V ausstellen können.

Ob durch die Einführung einer ärztlichen Präventionsempfehlung tatsächlich eine stärkere zielgruppengerechte Inanspruchnahme von verhaltensbezogenen Präventionsleistungen erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Die Ergebnisse einer schriftliche Befragung bei den Krankenkassen, in der 2018 retrospektiv die Erfahrungen in der Anfangsphase nach Einführung der Präventionsempfehlung erfasst wurden, weisen darauf hin, dass Ärztinnen und Ärzte von der Möglichkeit, eine Präventionsempfehlung abzugeben, noch zu wenig Gebrauch machen und ein relativ großer Anteil der Präventionsempfehlungen (33 %) nicht für primärpräventive, sondern für tertiärpräventive Leistungen ausgestellt wird (Die Nationale Präventionskonferenz 2019).

Gesundheitsberatung in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Einrichtungen der Rehabilitation, in Betrieben und anderen Settings

Seit Langem führt der Sozialdienst im Krankenhaus Beratung für Patienten und Patientinnen durch, z. B. in Fragen der Nachbehandlung und Rehabilitation. In der stationären und ambulanten Rehabilitation ist die Gesundheitsberatung Bestandteil der rehabilitativen Maßnahmen. Außerdem bieten Angehörige verschiedener Berufsgruppen des Gesundheitswesens (z. B. Psychologinnen und Psychologen, Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, Fachkräfte aus den Bereichen Ernährungsberatung und Physiotherapie) unter der Bezeichnung Patientenschulung oder auch Patientenedukation (Patientenberatung/Patientenedukation) gezielte Gesundheitsberatung für Patientinnen und Patienten zu bestimmten Krankheiten an. Die Beratung oder Schulung folgt einem festgelegten Konzept und kann einzeln oder in Gruppen stattfinden.
Die Teilnahme an den Schulungen wird von vielen Krankenkassen unterstützt. Auch die Disease-Management-Programme beinhalten solche Schulungen. Gesundheitsberatung erfolgt weiterhin in Gesundheitsämtern, bei anderen Trägern wie Wohlfahrtsverbänden und Kommunen in vielen spezialisierten Ausprägungen und Einrichtungen, z. B. als Suchtberatung, HIV/Aids-Beratung oder schulpsychologische Beratung. Sie findet sich ebenfalls bei Selbsthilfezusammenschlüssen (Selbsthilfe, Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeförderung). Hier steht der Begriff „Gesundheitsberatung“ manchmal auch für Gesundheitsbildung oder -training.

Verbraucherinformation und Patientenberatung

Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) wurden Einrichtungen der unabhängigen Patientenberatung (Patientenberatung und Patientenedukation) nach zehnjähriger Modellphase zum 1. Januar 2011 zum Regelangebot der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen fördert seitdem nach § 65b SGB V Einrichtungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informieren und beraten. Dadurch sollen sie in gesundheitlichen Fragen besser und neutral informiert werden können. Sie sollen mehr Rechte erhalten und in ihrer Rechtsstellung gegenüber den Leistungserbringern gestärkt werden.

Gesundheitsberatung im Internet

Eine zunehmend größere Rolle nimmt die Gesundheitsberatung im Internet ein. Die Kombination unterschiedlicher Dienste und Kommunikationswege ermöglicht eine Integration von Individual- (z. B. über E-Mails oder Apps) und Gruppenkommunikation (z. B. über Chats oder Diskussionsforen). Aufgrund ihrer zeitlichen und räumlichen Niederschwelligkeit kann Online-Gesundheitsberatung beispielsweise auch von Menschen genutzt werden, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder in dünn besiedelten Regionen den Zugang zu (internetgestützten) Beratungsleistungen überhaupt erst ermöglichen (sofern dort eine ausreichende Internetversorgung gegeben ist). Zudem fällt online (anonym) die Kommunikation bei tabubesetzten Themen leichter und Stigmatisierungen können eher vermieden werden als im persönlichen Kontakt. Die Online- Gesundheitsberatung stellt grundsätzlich eine sinnvolle Ergänzung zur konventionellen Beratung dar. Die persönliche "Face-to-Face"-Beratung wird durch die Online-Angebote nicht ersetzt werden, es ergeben sich jedoch neue Möglichkeiten des Zugangs zu bzw. der Anbahnung eines direkten Kontakts. Zudem können digitale Angebote das strukturelle Gleichgewicht zwischen Patientinnen und Patienten sowie professionellen Gesundheitsakteuren reduzieren, im Sinne von Empowerment/Befähigung.

Neben den Chancen lassen sich auch Risiken der Gesundheitsberatung im Internet konstatieren. Das kaum übersehbare Angebot an Gesundheitsberatung dort bewegt sich teilweise in einer rechtlichen Grauzone, ist im Hinblick auf Seriosität und Qualität sehr heterogen und oft mit Produktwerbung verbunden. Erforderlich sind nachvollziehbare und transparente Qualitätsmerkmale. Ein grundsätzliches Problem bleibt der Datenschutz, der stärker zu berücksichtigen ist und ggf. weitergehender rechtlicher Regelungen bedarf.

Gesundheitsberatung stellt insgesamt ein recht heterogenes Praxisfeld dar. Es ist gekennzeichnet von einem sehr breiten Anbieter- und Angebotsspektrum mit sehr unterschiedlichen Inhalten und Methoden, die von unterschiedlicher, teilweise fragwürdiger Qualität sind. In dem Bemühen um Professionalisierung in der Gesundheitsförderung gibt es inzwischen Qualifizierungsangebote verschiedener Träger. Fachhochschulen, Gesundheitsverbände und private Institute mit unterschiedlichen Konzepten und Interessen nennen als Weiter- bzw. Fortbildungsziel Gesundheitsberatung.

Die zunehmende Bedeutung der Gesundheitsförderung und die wachsende Zahl der in der Gesundheitsförderung Tätigen sollte zu einer einheitlichen Tätigkeitsbeschreibung und Berufsbezeichnung mit qualitätsgesicherter Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsförderung und Prävention führen. Ob „Gesundheitsberatung“ und „Gesundheitsberaterin“ bzw. „Gesundheitsberater“ die treffende Bezeichnung ist, muss in Anbetracht der verschiedenen Ansätze und Ziele geklärt werden.

Literatur:

Die Nationale Präventionskonferenz (Hrsg.) (2019). Erster Präventionsbericht nach § 20d Abs. 4 SGB V. Zugriff am 15.09.2020 unter www.npk-info.de/fileadmin/user_upload/ueber_die_npk/downloads/2_praeventionsbericht/NPK-Praeventionsbericht_Barrierefrei.pdf.

Weiterführende Quellen:

Behnke, K., Demmler, G., & Unterhuber, H. (2001). Gesundheitsberatung als Antwort auf veränderte Gesundheitsbedürfnisse. In R. Brinkmann-Göbel (Hrsg.). Handbuch für Gesundheitsberater. Bern: Huber.
Dockweiler, C., & Fischer, F. (Hrsg.) (2019). ePublic Health. Einführung in ein neues Forschungs- und Anwendungsfeld. Bern: Hogrefe.
Domsch, H., & Lohaus, A. (2009). Gesundheitsberatung. In P. Warschburger (Hrsg.). Beratungspsychologie (S. 153–170). Berlin, Heidelberg: Springer
Faltermaier, T. (2007). Gesundheitsberatung. In F. Nestmann, F. Engel, & U. Sickendiek (Hrsg.). Das Handbuch der Beratung, Band 2: Ansätze, Methoden und Felder (S. 1063–1081). Tübingen: dgvt-Verlag.
Matzick, S. (2007). Zukunftsaufgabe Gesundheitsberatung: Strategien für Gesundheitsberufe - Perspektiven für Patienten und Verbraucher. Lage: Jacobs-Verlag.
Schmidt-Kaehler, S. (2005). Gesundheitsberatung im Internet: Nutzwert, Evaluation und Positionierung internetgestützter Informations- und Beratungsleistungen für Bürger, Versicherte und Patienten in der gesundheitlichen Versorgung (Dissertation), Universität Bielefeld. Zugriff am 06.10.2019 unter https://pub.uni-bielefeld.de/record/2304060.

Internetadressen:

gesundheitsinformationen.de: www.gesundheitsinformation.de
Unabhängige Patientenberatung Deutschland: www.patientenberatung.de
Wegweiser Gesundheitsförderung der BZgA: www.wegweiser.bzga.de

Verweise:

Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsförderung und Prävention, Empowerment/Befähigung, Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsförderung 1: Grundlagen, Organisationsentwicklung als Methode der Gesundheitsförderung, Patientenberatung/Patientenedukation, Selbsthilfe, Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeförderung, Settingansatz/Lebensweltansatz

Die Autorinnen danken Peter Sabo für seine Vorarbeiten zu diesem Leitbegriff in den bisherigen Auflagen.