Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsförderung und Prävention

Beate Blättner , Thomas Hartmann , Kerstin Baumgarten

(letzte Aktualisierung am 03.03.2020)

Zitierhinweis: Blättner, B., Hartmann, T. & Baumgarten, K. (2020). Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsförderung und Prävention. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i005-2.0

Zusammenfassung

Die qualifizierte Aus- und Weiterbildung in der Gesundheitsförderung und Prävention hat sich in Deutschland in den letzten 15 Jahren stark entwickelt. Nachdem es zunächst keine geregelten Ausbildungswege gab, sind diese nun zunehmend akademisch organisiert. Die neue Struktur fügt sich in ein europaweites Aus- und Weiterbildungssystem für Gesundheitsberufe ein, das international vergleichbar und durchlässig sein soll. In Deutschland haben sich inzwischen verschiedene Bachelor- und Masterabschlüsse mit den Schwerpunkten Gesundheitsförderung und Prävention erfolgreich etabliert. Der nationale Fachqualifikationsrahmen könnte einheitliche Standards bei den Inhalten und Zielen dieser Studiengänge fördern.

Schlagworte

Qualifizierung, Kompetenzen, Studienangebote, Gesundheitsförderung, Prävention


Die Möglichkeiten der Qualifizierung für Tätigkeiten in der Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland haben sich in den letzten zwanzig Jahren ausgeweitet, vor allem an Hochschulen. Am Stichtag 22.06.2019 waren in der Datenbank der Hochschulrektorenkonferenz „Hochschulkompass“ (www.hochschulkompass.de) unter dem Stichwort Gesundheitsförderung 64 Studienangebote zu finden, 32 Bachelor- und 32 Master-Studiengänge. Dazu kommen weitere Studiengänge in Gesundheitswissenschaften, Public Health oder Gesundheitsmanagement, die vergleichbare Kompetenzen vermitteln.

Entwicklung der Ausbildungsmöglichkeiten an Hochschulen

Bis Mitte der 1990er-Jahre waren bildungsrechtlich anerkannte Ausbildungen in Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland nicht etabliert. Fortbildungen fanden zumeist im Rahmen nicht geregelter öffentlicher oder privatwirtschaftlicher Erwachsenenbildung statt. Eine erste Veränderung erfolgte mit der Entwicklung von Public-Health-Studiengängen. Nach gut zweijähriger Vorarbeit legte die Bundesregierung im Jahr 1989 eine Förderinitiative auf, die das Ziel hatte, an deutschen Hochschulen international konkurrenzfähige Strukturen der Forschung und Lehre für Public Health aufzubauen. Zwischen 1989 und 1995 entstanden aus den fünf geförderten Forschungsverbünden neun postgraduale, universitäre, gesundheitswissenschaftliche Studiengänge mit der Abschlussbezeichnung MPH („Master of Public Health“) oder M. S. P („Magister Sanitas Publicae“), die nach vergleichbaren Standards qualifizierten. Parallel dazu wurden an Fachhochschulen erste Diplom-Studiengänge in Gesundheitsförderung und -management gegründet (Hartmann, Baumgarten, Dadaczynski & Stolze, 2015).

Nach dem Jahr 2000 begann an Hochschulen eine neue Phase durch den sogenannten Bologna-Prozess – der Entwicklung eines europäischen Hochschulraums mit vergleichbaren Abschlussgraden. Das Studium in Gesundheitsförderung oder Public Health fügt sich seitdem in ein dreistufiges Studiensystem ein: Bachelor als erster akademischer Abschluss, darauf aufbauend ein Masterstudium und als Nachweis der wissenschaftlichen Eignung die Promotion. In den ersten beiden Abschlussgraden unterscheiden sich Fachhochschul- und Universitätsabschlüsse formal nicht voneinander. Inzwischen haben erste Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften auch ein Promotionsrecht z. B. in Public Health. Zugleich wurde eine externe Akkreditierung von Studiengängen, d. h. eine formale Überprüfung von Qualitätsstandards, eingeführt, die generelle Kriterien (z. B. Studierbarkeit, Übereinstimmung mit formalen Kriterien und Ressourcen) überprüft. Als Abschlussgrad wird auf den hier interessierenden Fachgebieten der Bachelor of Science (B. Sc.) oder der Bachelor of Arts (B. A.) vergeben. Beide Grade sind gleichwertig. Sie zeigen nur, ob sich der Studiengang als stärker medizinisch-naturwissenschaftlich (B. Sc.) oder als stärker sozialwissenschaftlich (B. A.) ausgerichtet sieht. In den Masterstudiengängen kann neben den Abschlussgraden Master of Science (M. Sc.) und Master of Arts (M. A.) auch der Master of Public Health (MPH) vergeben werden, wenn es sich um einen Weiterbildungs-Master handelt. Auch hier ist die Art des Abschlussgrads kein Qualitätsmerkmal.

Gesundheitsförderung und Prävention bedienen sich zunehmend wissenschaftlicher Methoden der Bedarfsermittlung, z. B. anhand sozialepidemiologischer Studien und der Gesundheitsberichterstattung, der Evaluation und der Überprüfung der Wirksamkeit von Interventionen nach strengen methodischen Kriterien (Evidenzbasierte Gesundheitsförderung). Aus diesem Grund liegt es nahe, für solche Tätigkeiten eine wissenschaftliche Ausbildung vorauszusetzen. Das gilt vor allem für die auf Gesundheitsförderung spezialisierte konzeptionelle Arbeit und für die Beratung von Akteuren in der lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung (Settingansatz/Lebensweltansatz). Dagegen werden individuelle Verhaltensänderungen idealerweise auch von Gesundheitsfachberufen mit oder ohne akademischen Abschluss als Teil ihrer professionellen Tätigkeit angeregt. Menschen aus Gesundheitsfachberufen könnten deshalb auch als Spezialistinnen und Spezialisten für das jeweilige Handlungsfeld in der individuellen Gesundheitsförderung und Prävention tätig werden, sofern entsprechende Grundlagen Gegenstand ihrer Ausbildung waren.

Seltener bieten Hochschulen ergänzend wissenschaftliche Weiterbildungen in Gesundheitsförderung an, die auch Personen ohne Hochschulzugang offenstehen können und mit einem Zertifikat abgeschlossen werden. Rein privatwirtschaftlich organisierte Träger oder Träger öffentlich geförderter Erwachsenenbildung bieten weiterhin Fortbildungen an, die teilweise mit Abschlusszertifikaten enden, die weder bildungs- noch berufsrechtlich anerkannt sind.

Einordnung in das Bildungssystem

Qualifizierungsangebote lassen sich zunächst unter bildungs- und berufsrechtlichen Gesichtspunkten differenzieren. Mit (Berufs-)Ausbildung ist ein berufsqualifizierender Abschluss gemeint, der im sekundären (z. B. anerkannter Ausbildungsberuf nach Berufsbildungsgesetz) oder tertiären (z. B. Bachelor-Grad) Bildungsbereich erworben wird. Im engeren Sinn meint Ausbildung in Deutschland eine duale Ausbildung im Berufsbildungssystem, während die Ausbildung an Hochschulen als Studium bezeichnet wird. Auch duale Studienangebote (z. B. seit 2020 für Hebammen) existieren.

Die für die meisten Gesundheitsfachberufe in Deutschland noch immer übliche Ausbildung in den Fachschulen des Gesundheitswesens hat einen Sonderstatus. Einerseits erfolgt sie in einem dualen System von Schule und Praxis, andererseits werden solche Ausbildungen durch ein Bundesgesetz geregelt. Das Berufsbildungsgesetz gilt hier ausdrücklich nicht. Bundesgesetze regeln auch akademische Gesundheitsberufe, wie die Medizin, die Pharmazie oder ab 2020 die Ausbildung von Hebammen. Für die geregelten Berufe des Gesundheitswesens gilt, dass die Berufsbezeichnung an eine Anerkennung von Ausbildungsstätten, eine Festlegung der zu lehrenden Inhalte und deren Umfang, ein staatliches Examen und meist an der Berufsgruppe vorbehaltene Tätigkeiten gebunden ist. Nichtmedizinische Prävention und Gesundheitsförderung gehören nicht zu den geregelten Berufen des Gesundheitswesens, insoweit gibt es auch keine staatliche Anerkennung für solche beruflichen Tätigkeiten, allenfalls eine Anerkennung der Bildungsinstitution und des Ausbildungsgrades. Bezeichnungen wie Gesundheitsberater und -beraterin, Präventologe und Präventologin oder Gesundheitspädagoge und Gesundheitspädagogin sind allenfalls markenrechtlich, aber nicht berufsrechtlich geschützt.

Studiengänge sind heute in der Regel akkreditiert. Eines der Kriterien für die Akkreditierung ist die generelle Berufsbefähigung, nicht aber die konkrete Überprüfung der Eignung der vermittelten Kompetenzen für den jeweiligen Beruf. Deshalb können Studiengänge an unterschiedlichen Standorten gleichermaßen „Gesundheitsförderung“ heißen, aber dennoch im Detail unterschiedliches vermitteln. Umgekehrt können Studiengänge mit unterschiedlichem Namen gleichermaßen für eine Tätigkeit in der Gesundheitsförderung und nicht-medizinischen Prävention qualifizieren.

Weiterbildungen bauen in der Regel auf einen ersten Ausbildungsabschluss auf und führen zu einer zusätzlichen Abschlussbezeichnung, z. B. einem Master-Grad oder einer zumindest landesrechtlichen oder berufsrechtlichen Anerkennung (z. B. Zahnmedizinische Prophylaxe-Assistentin) durch den Staat oder eine Kammer. Zertifikatskurse, für die diese Kriterien nicht gelten, werden oft als Fortbildungen bezeichnet. Fortbildung kann auch in Form informeller Lernprozesse stattfinden. Beispielsweise ist die Reflexion von Erfahrungen im Berufsleben ein solch informeller Lernprozess. Fort- und Weiterbildung werden auch danach differenziert, ob sie der Erweiterung und Vertiefung der Kompetenzen dienen, die im ausgeübten Beruf benötigt werden, oder potenziell zu einer Veränderung oder Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten beitragen. Danach wäre die Einführung in ein konkretes Präventionskonzept für jemanden, der bereits in der Prävention tätig ist, eine Fortbildung, während beispielsweise eine gesundheitspädagogische Zusatzqualifikation für eine Physiotherapeutin eine Weiterbildung sein könnte.

Die Differenzierung zwischen Fort- und Weiterbildung, tendenziell auch die zwischen Ausbildung und Weiterbildung, verliert mit dem Konzept des „lebenslangen Lernens“ an Bedeutung. Dieser Begriff wurde 2001 von der Europäischen Kommission aufgegriffen und in die Diskussion um einen europäischen Wissensraum eingebracht. Er bringt zum Ausdruck, dass sich die Anforderungen an die beruflichen Kompetenzen im Laufe eines 40-jährigen Berufslebens abhängig von den Entwicklungen am Arbeitsmarkt einerseits und der Arbeitsgestaltung und -organisation andererseits stark verändern können. Deswegen ist der Erwerb erforderlicher Kompetenzen mit dem Abschluss einer Ausbildung nicht abgeschlossen; während der gesamten Erwerbsphase sind qualifikatorische Anpassungen erforderlich, die formell oder informell erfolgen können. Aufgrund der Heterogenität der Berufsbildungssysteme in Europa geht mit diesem Konzept zudem die Überlegung einher, dass nicht formelle Bildungsabschlüsse, sondern faktisch vorhandene Kompetenzen und deren wechselseitige Anerkennung in Europa relevant sein müssten. 2008 wurde deshalb der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR oder EQF) verabschiedet (Falkenstein 2008) und 2017 aktualisiert. Der EQR unterscheidet anhand von Deskriptoren Kenntnisse, Fertigkeiten und den Grad der Verantwortungsübernahme in acht verschiedenen Niveaustufen. Niveau 6 entspricht dem Abschluss eines Bachelor-Studiums, Niveau 7 einem Master-Abschluss. In Deutschland, wie in insgesamt 38 europäischen Staaten, wurde daraufhin ein Nationaler Qualifikationsrahmen (in Deutschland DQR) entwickelt, der in 26 Ländern eine Zuordnung zum EQR vorgibt. Der DQR unterscheidet ebenfalls acht Niveaustufen, die aber die Deskriptoren Wissen, Fertigkeiten, Sozialkompetenz und Selbständigkeit benutzt (www.dqr.de).

Im Arbeitskreis DQR wurden formale Qualifikationen den Niveaus des EQR zugeordnet. Berufe der Prävention und Gesundheitsförderung ohne Studienabschlüsse finden sich dort nicht wieder, weil es keine formalen Ausbildungen sind. Gesundheitsberufe wie Medizinischer Fachangestellter oder Gesundheits- und Krankenpflegerin sind durchgängig als Assistenzberufe dem Niveau 4 zugeordnet worden. Dies irritiert, denn eine Physiotherapeutin oder eine Pflegefachkraft beispielsweise in der Altenpflege trägt in einem anderen Ausmaß Verantwortung als eine Medizinische Fachangestellte, die unter ärztlicher Aufsicht oder Delegation arbeitet. Niveau 4 beschreibt Kompetenzen, die zur selbstständigen Planung und Bearbeitung fachlicher Aufgabenstellungen in einem umfassenden, sich verändernden beruflichen Tätigkeitsfeld benötigt werden. Niveau 6 beispielsweise, der Bachelor-Abschluss, beschreibt demgegenüber Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet, wie sie beispielsweise für Interventionen in Settings typisch sind.

Qualifikationsanforderungen der Praxis

Anders als in anderen europäischen Ländern, auch denen die ein vergleichbares Sozialversicherungssystem haben wie Deutschland, ist die Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland primär den Sozialversicherungsträgern überantwortet, unter denen die gesetzlichen Krankenkassen eine dominante Rolle einnehmen (Gesundheitsförderung 5: Deutschland). Qualifikationsanforderungen werden entsprechend in Dokumenten des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) beschrieben.

Der derzeit geltende Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes (2018) definiert „Anbieterqualifikationen“ für durch die GKV geförderten Angebote. So fordert er bei der lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung (Settingansatz/Lebensweltansatz) „Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss mit Kenntnissen und Fähigkeiten in Gesundheitsförderung und Prävention einschließlich Systemkenntnissen der gesetzlichen Zuständigkeiten sowie insbesondere zu den Bereichen Prozess- und Projektmanagement und Organisationsentwicklung“ (S. 30). Für die betriebliche Gesundheitsförderung heißt es entsprechend: „Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss mit Kenntnissen und Fähigkeiten in Public Health, betrieblicher Gesundheitsförderung und insbesondere zu den Bereichen Organisationsentwicklung, Organisationsberatung sowie Prozess- und Projektmanagement“ (S. 106). Bei der individuellen Prävention können Anbieter bis Oktober 2020 folgende Qualifikationen nachweisen: „Grundqualifikation: staatlich anerkannter Berufs- oder Studienabschluss im jeweiligen Fachgebiet (Handlungsfeld). Zusatzqualifikation: spezifische, in der Fachwelt anerkannte Fortbildung“ (S. 53). Ab Oktober 2020 gilt dann „staatlich anerkannter handlungsfeldbezogener Berufs- oder Studienabschluss mit Nachweis der Mindeststandards in Bezug auf fachwissenschaftliche, fachpraktische und fachübergreifende Kompetenzen für das jeweilige Handlungsfeld/Präventionsprinzip“ (S. 53).

Unabhängig von einer fachlichen Nachvollziehbarkeit dieser Kriterien werden aus bildungswissenschaftlicher Perspektive hier Fragen nach dem notwendigen Kompetenzniveau aufgeworfen: Fachlich verfügen dem Grunde nach sowohl ein nicht akademisch ausgebildeter Diätassistent als auch eine Ernährungswissenschaftlerin über eine geeignete Qualifikation für eine Gruppenberatung zu Ernährungsfragen – vorausgesetzt, sie haben sich entsprechende pädagogische Kompetenzen aneignen können. Im Kompetenzniveau unterscheiden sich beide zumindest formal, d. h. nach der Art des Abschlussgrades. Während beide grundsätzlich geeignet sein können, standardisierte Kurskonzepte mit vorgefertigten Materialen und Handreichungen durchzuführen, sind für die Entwicklung und Evaluierung solcher Konzepte zwar ähnliche fachliche Qualifikationen gefordert, allerdings unterschiedliche Kompetenzniveaus. Während der Diätassistent im DQR auf Niveau 4 eingeordnet ist, hat die Ernährungswissenschaftlerin mindestens einen Bachelor- (Niveau 6) oder einen Master-Abschluss (Niveau 7). Die Gleichberechtigung beider Abschlüsse hat den Vorteil, dass Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen gegenüber den geregelten oder nicht-geregelten Berufsabschlüssen im Gesundheitswesen nicht benachteiligt werden. Was aber fehlt ist eine Diskussion darüber, welche Tätigkeit genau welche Ebene von Kompetenzniveau erfordert.

Mit Deskriptoren ließe sich unterscheiden, auf welcher Ebene Entscheidungen getroffen werden und wie wissenschaftlich fundiert die dafür notwendigen Kenntnisse sein müssen. Beispielsweise könnte der Grad der Verantwortungsübernahme auf Niveau 5 die Durchführung eines standardisierten Kurskonzepts in der Prävention sein. Der Entscheidungsspielraum bezieht sich auf die Umsetzung des vorgegebenen Konzepts mit der jeweiligen Kursgruppe. Niveau 6 umfasst dann die Leitung eines Projekts der Gesundheitsförderung; Niveau 7 die Entwicklung neuer Interventionsstrategien und die Weiterentwicklung der theoretischen und empirischen Basis der Gesundheitsförderung. Mit jeder Stufe erweitern sich der Entscheidungsspielraum, die Komplexität der zu berücksichtigenden Fakten und die Unvollständigkeit der vorliegenden Informationen, nach denen entschieden werden kann. Wissenschaft wird auf Niveau 7 nicht mehr rezipiert, sondern generiert; Projekte, in denen neue Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer Strategie gefunden werden sollen, erfordern schon deshalb verantwortliche Personen, die mindestens über einen Master-Abschluss verfügen.

Geht es weniger um die formale Definition einer Anbieterqualifikation, sondern um Beschäftigungsverhältnisse, so zeigt eine Studie auf Basis von Stakeholder-Analysen, dass ein Bachelor-Abschluss eher das Mindestmaß an Qualifikation für Tätigkeiten im Projektmanagement, der Koordination oder auch der Gesundheitsberichterstattung bei unterschiedlichen Trägern ausmacht (Karg, Blättner, Krüger & Micheew 2020). Mit entsprechendem Engagement bereits während des Studiums gelingt der Einstieg, zumeist wird dann aber berufsbegleitend der Master-Abschluss nachgeholt.

Transparenz über die vermittelten Kompetenzen

Aus dem Titel eines Studiengangs im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung ist nicht immer ersichtlich, ob er eher für eine Tätigkeit auf der individuellen Ebene (Gesundheitsbildung; Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung; Health Literacy/Gesundheitskompetenz) oder der bevölkerungsbezogenen Ebene – und der Arbeit entsprechend dem Settingansatz – oder einer Mischung aus beidem qualifiziert.

Zur Verbesserung der Transparenz gegenüber Studieninteressierten, v. a. aber gegenüber potenziellen Arbeitgebern, wurde vor einigen Jahren von einer Expertengruppe deutscher Hochschulen ein nationaler Fachqualifikationsrahmen (FQR) entwickelt, der auf der vertikalen Ebene die Dublin-Deskriptoren und auf der horizontalen Ebene den Public Health Action Cycle/Gesundheitspolitischer Aktionszyklus zur Beschreibung der erforderlichen Kompetenzen benutzt. Tabelle 1 zeigt die Beschreibungen für das Niveau 6, entsprechend eines ersten Hochschulabschlusses (Baumgarten, Blättner, Hartmann & Dadaczynski 2015). Solche Vorschläge bleiben für Hochschulen unverbindlich, die genannten Kompetenzen sind aber weitgehend akzeptiert.

Ein anderer Weg wird mit von der „International Union for Health Promotion and Education“ (IUHPE) entwickelten und der von der BZgA in Deutsch veröffentlichten Formulierung von Kernkompetenzen für Gesundheitsförderung (CompHP) beschritten (Barry et al. 2014). Hier ist ein Zertifizierungs- und Registrierungssystem für Fachkräfte und Ausbildungsgänge vorgesehen. Angesichts der immensen Summen, die bereits jetzt für die Akkreditierung von Studiengängen aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden müssen, und den zu erwartenden Kosten für die Registrierung ist eine solche Entwicklung zumindest für Deutschland allerdings auch kritisch zu sehen, weil hier noch nicht einmal Gesundheitsfachberufe registriert sind. Berufe in der Prävention und Gesundheitsförderung sollten nicht strengeren Regularien unterworfen werden als die Medizin und die Pflege. Immerhin ist ein Studiengang ein staatlicher Abschluss.

Public Health Action Cycle/
Dublin-Deskriptoren

Problem­bestimmung/
Erheben des Bedarfs von Maßnahmen

Politik­formulierung/
Entwickeln von Strategien und Maßnahmen

Umsetzung/
Erstellen von Rahmenbedingungen

Bewertung/
Bewertung von Maßnahmen, Projekten, Ansätzen, Studien

Knowledge and understanding: Wissen und Verstehen, das zumindest in einigen Aspekten an neueste Erkenntnisse anknüpft.

Kennt die unterschiedlichen Determinanten von Gesundheit und Methoden im Zusammenhang, mit denen Bedarfe an und Bedürfnisse nach Maßnahmen der Gesundheitsförderung ermittelt werden.

Kennt die Strategien und Handlungsfelder der Gesundheitsförderung der WHO sowie nationale Entwicklungen und deren zugrunde liegenden wissenschaftlichen Theorien.

Kennt relevante Rahmenbedingungen der Gesundheitsförderung; kennt die Strukturen des Sozial- und Gesundheitswesens und die Bedingungen nationaler Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kennt Möglichkeiten und Methoden der Qualitätssicherung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung.

Applying knowledge and understanding: Wissen und Verstehen anwenden; Formulieren und Untermauern von Argumenten und Lösen von Problemen

Kann fundiert begründen, welche Zielgruppen, Settings und Arbeitsfelder der Gesundheitsförderung relevant sind. Kann Datenquellen nutzen und Methoden der empirischen Sozialforschung einsetzen, um Bedarfe und Bedürfnisse zu identifizieren bzw. zu erheben.

Kann mit Bezug auf Zielgruppen, Settings und Themenfelder geeignete (evidenzbasierte) Konzepte, Strategien und Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisänderung entwickeln und deren Einsatz begründen.

Kann entscheiden, welche Bedingungen welche Art von Intervention erfordern und kann mit den Mitteln des Projektmanagements Interventionen unter Berücksichtigung partizipativer Ansätze umsetzen und steuern.

Kann empirische Evidenz von Maßnahmen recherchieren und beurteilen sowie den Erfolg von selbst durchgeführten Interventionen auch unter Anwendung der Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung mit geeigneten Methoden und Instrumenten der Qualitätssicherung bewerten.

Making judgements: Relevante Daten sammeln und interpretieren, um Einschätzungen zu stützen, die relevante soziale, wissenschaftliche und ethische Belange berücksichtigen

Kann aus vorhandenen und aus selbst erhobenen Daten Schlussfolgerungen in Bezug auf individuelle und bevölkerungsbezogene Gesundheitsressourcen, -risiken und -belastungen ziehen, um einen Bedarf an Maßnahmen nach wissenschaftlichen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten zu begründen; kann dabei insbesondere Einflüsse von sozialer Ungleichheit, Alter und Geschlecht berücksichtigen.

Kann Strategien, Ansätze, Methoden und Maßnahmen auf der Basis von Daten und Theorien entwickeln und an die alltäglichen und projektbezogenen Rahmenbedingungen anpassen; kann die dabei entstehenden Probleme reflektieren

Kann Entscheidungen für Interventionen bei spezifischen Zielgruppen treffen und reflektieren, welche Auswirkungen die Veränderungen auf andere gesundheitliche und soziale Bereiche haben könnten; kann Prioritäten unter sozialen und ethischen Gesichtspunkten setzen.

Kann den Erfolg von Interventionen empirisch gestützt beurteilen und unter Berücksichtigung ethischer, wissenschaftlicher und sozialer Belange bewerten.

Communication: Ideen, Probleme und Lösungen an Experten/ Expertinnen und Laien vermitteln

Kann die Ergebnisse Laien, Betroffenen, Expertinnen und Experten, Entscheidern und der Öffentlichkeit gegenüber angemessen kommunizieren bzw. vermitteln.

Kann gegenüber Ausgangslagen und Vorgehensweisen Laien, Betroffenen, Expertinnen und Experten, Entscheidern und der Öffentlichkeit kommunizieren; kann eigene Sichtweisen im Team transparent machen und Sichtweisen anderer wahrnehmen und integrieren.

Kann Maßnahmen kooperativ in einem professionellen Team durchführen und sie in Abstimmung und partizipativ mit den Zielgruppen umsetzen; kann gegenüber Entscheidungsträgern und -trägerinnen kommunizieren, welche Entscheidungen mit welchen Konsequenzen verbunden sind; kann Fachaustausch und Vernetzung organisieren und durchführen.

Kann die kritische, reflektierte Bewertung von Strategien, Ansätzen und Methoden gesundheitsfördernder Projekte unterschiedlicher Adressatengruppen adäquat schriftlich und mündlich kommunizieren.

Learning skills: Lernstrategien, um ihre Studien selbstständig fortzusetzen

Verfügt über Strategien, um Informationslücken mit den Grundtechniken des wissenschaftlichen Arbeitens systematisch zu schließen.

Verfügt über Strategien, um aus den Erfahrungen für weitere Maßnahmen lernen zu können; kann sich dabei neue Ansätze mit Grundtechniken des wissenschaftlichen Arbeitens allein und im Team erschließen.

Kann eigene Vorgehensweisen und deren Ergebnisse reflektieren, weiterentwickeln und zum eigenen und wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Beziehung setzen.

Kann recherchierte und eigene Evaluationsergebnisse nutzen, um Methoden und Handlungsstrategien zu optimieren.

Tabelle 1: Fachqualifikationsrahmen für Gesundheitsförderung (Bachelor-Niveau)

Literatur:

Barry, M. M., Battel, K., Davison, H., Dempsey, C., Parish, R., Schipperen, M. & Zilnyk, A.; im Auftrag der CompHP-Projektpartner (2014). Das CompHP-Rahmenkonzept für die Gesundheitsförderung: Kernkompetenzen. Professionelle Standards-Akkreditierung; deutsche Kurzfassung. Köln: BZgA.
Baumgarten, K., Blättner, B., Hartmann, T. & Dadaczynski K. (2015). Entwicklung eines Fachqualifikationsrahmens für den Bereich Gesundheitswissenschaften/Public Health und Gesundheitsförderung in Deutschland. Prävention und Gesundheitsförderung (10) 4, 320–327.
Falkenstein, V. (2008). Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Zugriff am 08.07.2019 unter https://books.google.de/books?id=OHPuTIGZ-McC.
GKV-Spitzenverband (2018). Leitfaden Prävention, Handlungsfelder und Kriterien nach §20 Abs.2 SGBV. Zugriff am 08.07.2019 unter www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/publikationen/Leitfaden_Pravention_2018_barrierefrei.pdf.
Hartmann, T., Baumgarten, K., Dadaczynski, K. & Stolze, N. (2015). Gesundheitswissenschaften/Public Health und Gesundheitsförderung in Deutschland. Entwicklung der Bachelor- und Masterstudiengänge. Prävention und Gesundheitsförderung (10) 3, 239–246.
Karg, S., Blättner, B., Krüger, K. & Micheew N. (2020). Kompetenzen für Tätigkeiten in der Gesundheitsförderung. Sichtweisen von Stakeholdern. Präv Gesundheitsf https://doi.org/10.1007/s11553-020-00760-6.

Weiterführende Quellen:

Blättner, B. (2008). Kompetenzprofil für Gesundheitsförderung. In: Rásky, É. (Hrsg.), Gesundheitsprofi(l) für die Pflege: Pflegewissenschaft in den Berufsalltag: Möglichkeiten auf dem Gesundheitsmarkt. Wien: Facultas Universitätsverlag.
Blättner, B. & Heckenhahn, M. (2009). Professionalisierung in der Gesundheitserziehung. In Blättner, B. & Hurrelmann, K. (Hrsg.). Handbuch Gesundheitserziehung (S. 254–264). Bern: Hans Huber.

Internetadressen:

Dachverband Deutsche Gesellschaft für Public Health: www.deutsche-gesellschaft-public-health.de
Datenbank akkreditierter Studiengänge: https://hs-kompass.de/kompass/xml/akkr/maske.html
International Union for Health Promotion and Education (Erläuterung des Akkreditierungssystems): www.iuhpe.org/index.php/en/the-accreditation-system
Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen: www.dqr.de

Verweise:

Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsförderung 5: Deutschland, Gesundheitskompetenz / Health Literacy, Public Health Action Cycle / Gesundheitspolitischer Aktionszyklus, Settingansatz/Lebensweltansatz