Kernkompetenzen professioneller Gesundheitsförderung

Eberhard Göpel

(letzte Aktualisierung am 04.01.2017)

Zitierhinweis: Göpel, E. (2017). Kernkompetenzen professioneller Gesundheitsförderung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i057-1.0

Zusammenfassung

Die  International Union for Health Promotion and Education (IUHPE)  hat  in den Jahren 2009 - 2013 im Auftrag der EU-Kommission nach Auswertung der weltweiten Literatur zur Qualifizierung in der Gesundheitsförderung ein Handbuch zu den Kern-Kompetenzen der Gesundheitsförderungs-Praxis („CompHP“) auf der Grundlage der Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung erstellt und veröffentlicht.


Die  International Union for Health Promotion and Education (IUHPE)  hat  in den Jahren 2009 - 2013 im Auftrag der EU-Kommission nach Auswertung der weltweiten Literatur zur Qualifizierung in der Gesundheitsförderung ein Handbuch zu den Kern-Kompetenzen der Gesundheitsförderungs-Praxis („CompHP“) auf der Grundlage der Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung erstellt und veröffentlicht.

In diesem Handbuch zur Beschreibung der Kernkompetenzen und professionellen Standards zur Spezifizierung beruflicher Kompetenzen von Fachleuten für die Gesundheitsförderung werden grundlegende Prinzipien für eine kompetente Gesundheitsförderungs-Praxis erläutert.

Dieses Handbuch ist von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2014 in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht worden. Die BZgA will damit eine berufsfeldübergreifende Diskussion zur Qualität der beruflichen Aus- und Weiterbildung für das Arbeitsfeld anregen und das von der IUHPE entwickelte  berufliche Akkreditierungsverfahren auch in Deutschland  bekanntmachen .
Zugrunde gelegt wird in dem Handbuch die folgende Definition von Kompetenzen: „Eine Kombination von grundlegendem Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werten, die für die Gesundheitsförderungspraxis erforderlich sind. Kernkompetenzen sind definiert als minimales Set von Kompetenzen, die eine gemeinsame Grundlage für sämtliche Rollen in der Gesundheitsförderung bilden.“
Die in dem Handbuch der IUHPE zusammengestellte Beschreibung von  Kernkompetenzen professioneller Praxis der Gesundheitsförderung  richtet sich primär an Fachleute, die mit der Umsetzung der Gesundheitsförderung betraut sind und die über eine Aus-oder Weiterbildung in der Gesundheitsförderung verfügen (Gesundheitsförderung und Hochschule). Sie kann aber als Orientierung auch für Personen mit einer Aus- und Weiterbildung in einem verwandten Fachgebiet nützlich sein, deren Berufsrolle Gesundheitsförderung mit einschließt.

Für die Kern-Kompetenzen professioneller Praxis der Gesundheitsförderung werden in dem Handbuch insgesamt neun professionelle Standards detailliert aufgeführt. Sie sollen „eine fachliche Spezifikation oder ein präzises Kriterium benennen, das zum konsistenten Gebrauch als Regel, Leitlinie oder Definition  bestimmt ist“. In  einer allgemeinverständlichen Form formuliert, werden fachliche Kriterien guter Praxis spezifiziert, die in unterschiedlichen Anwendungszusammenhängen, Settings und geografischen  Regionen konsistent angewandt werden können, um die für die Gesundheitsförderungspraxis erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werte zu beschreiben.

Jeder Standard formuliert spezifische Kenntnisse, Kompetenzen und Leistungskriterien, die erforderlich sind, um Kompetenz auf dem jeweiligen Gebiet als Gesundheitsförderungs-Fachperson  nachweisen zu können.

Die Standards stützen sich auf eine multidisziplinäre Wissensgrundlage der Kernkonzepte, Theorien und der Forschung der Gesundheitsförderung  sowie deren Anwendung in der Praxis. Hervorgehoben werden dabei:

  • Konzepte, Grundsätze und ethische Werte der Gesundheitsförderung, wie sie in der Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung und nachfolgenden Chartas international festgelegt wurden.
  • Konzepte gesundheitlicher Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit und Gesundheit als Menschenrecht als Grundlage für die Gesundheitsförderung
  • Determinanten der Gesundheit und ihre Bedeutung für die Gesundheitsförderung
  • Einfluss sozialer und kultureller Vielfalt auf die Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten, sowie deren Implikationen für die Gesundheitsförderung
  • Gesundheitsförderungsmodelle und -Ansätze, die als Basis Empowerment, Partizipation, Partnerschaftlichkeit und Gleichheit fördern
  • Aktuelle Theorien und Evidenz als Grundlage für wirksame Führung, Advocacy und Partnerschaftsaufbau sowie deren Implikationen für Gesundheitsförderung
  • Aktuelle Modelle und Ansätze eines wirksamen Projekt- und Programm-Managements (einschliesslich Bedarfsanalyse, Planung, Umsetzung und Evaluation) und deren Anwendung in der Gesundheitsförderung
  • Evidenzgrundlagen und Forschungsmethoden, einschliesslich qualitativer und quantitativer Methoden, die erforderlich sind, um Gesundheitsförderung zu entwerfen und zu evaluieren
  • Kommunikationsprozesse und aktuelle Informationstechnologien, die für eine wirksame Gesundheitsförderung benötigt werden
  • Systeme, Policies und Gesetzgebung, welche die Gesundheit prägen, und deren Bedeutung für die Gesundheitsförderung

In der folgenden Beschreibung wird das resultierende Leitbild zusammengefasst:

Gesundheitsförderungs-Fachleute handeln professionell und ethisch

Eine ethische Gesundheitsförderungspraxis basiert auf einer Verpflichtung zur Gesundheit als Menschenrecht, was für die menschliche Entwicklung zentral ist. Sie achtet die Rechte, Würde, Vertraulichkeit und den Wert von Individuen, Gruppen und Gemeinschaften, und sie respektiert die Vielfalt von Geschlecht, sexueller Ausrichtung, Alter, Religion, Behinderung und kultureller Überzeugungen. Eine ethische Gesundheitsförderungspraxis geht gesundheitliche Ungleichheiten und soziale Ungerechtigkeiten an und priorisiert den Bedarf jener, welche in Armut oder sozialer Randständigkeit leben. Sie wirkt auf die politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, Umwelt-, Verhaltens- und biologischen Determinanten von Gesundheit und Wohlbefinden ein. Gesundheitsförderungsfachleute stellen sicher, dass Gesundheitsförderungsaktionen nützlich sind und keinen Schaden verursachen und dass sie ehrlich sind bezüglich dessen, was Gesundheitsförderung ist, was sie bewirken kann oder nicht kann. Gesundheitsförderungsfachleute handeln in allen Gesundheitsförderungsbereichen professionell und ethisch durch:

Kenntnisse, Kompetenzen und Leistungskriterien
Fachleute erbringen durch Dokumentation oder Assessment während der Arbeit oder durch ihre dokumentierten Studienaktivitäten  den Fähigkeitsnachweis, dass sie:

ethische Dilemmas und Themen erkennen und angehen, indem sie nachweisen:

  • Kenntnis der Konzepte, Grundsätze und ethischen Werte der Gesundheitsförderung
  • Kenntnis der Konzepte gesundheitlicher Gleichberechtigung, sozialer Gerechtigkeit und Gesundheit als Menschenrecht
  • Kenntnis der aktuellen und anstehenden rechtlichen und ethischen Themen im eigenen Tätigkeitsbereich
  • Fähigkeit, ethische Themen proaktiv und in angemessener Weise anzugehen (z.B. durch Anfechten der unethischen Praxis anderer)

so handeln, dass sie:

  • die geäußerten Ansichten und Vorlieben wahrnehmen und anerkennen
  • die Fähigkeit anderer, informierte Entscheidungen zu treffen, fördern
  • die Gleichberechtigung und Vielfalt der Werte fördern
  • Menschen als Individuen wertschätzen
  • die Bedeutung der Vertraulichkeit anerkennen
  • konsistent sind bezüglich Evidenz, Gesetzgebung, Strategien, Führungsgrundlagen und -systemen

die eigene Praxis und jene der anderen fortlaufend entwickeln und verbessern durch:

  • Reflektieren des eigenen Verhaltens und der Praxis und bestimmen, wo Verbesserungen nötig sind
  • Erkennen des eigenen Weiterbildungsbedarfs und des Bedarfs anderer und Nutzen der Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Wahrnehmen unterschiedlicher Lernansätze und -Vorlieben
  • Evidenzen nutzen bei Verbesserungen im eigenen Tätigkeitsbereich
  • objektive und konstruktive Beurteilung der Wirksamkeit des eigenen Tätigkeitsbereichs


Für die folgenden neun CompHP-spezifischen Standards  werden in dem Handbuch detailliert die Kernkompetenzen, erforderliche Grundkenntnisse und Fähigkeiten sowie Leistungskriterien für die Dokumentation und Bewertung zusammengestellt.

Standard 1: Veränderung ermöglichen
Idividuen, Gruppen, Gemeinschaften und Organisationen zum Aufbau von Kompetenzen für die Gesundheitsförderung befähigen, um die Gesundheit zu verbessern und gesundheitliche Ungleichheiten zu vermindern.

Standard 2: Advocacy
Mit und für Individuen, Gemeinschaften und Organisationen für eine Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden eintreten und Kompetenzen für die Gesundheitsförderung aufbauen.

Standard 3: Vermittlung durch Partnerschaft
Mit unterschiedlichen Disziplinen, Sektoren und Partnern zusammenarbeiten, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Gesundheitsförderung zu verbessern.

Standard 4: Kommunikation
Gesundheitsförderung effektiv kommunizieren, unter Nutzung angemessener Methoden und Techologien für verschiedene Zielgruppen.

Standard 5: Führung
Zur Entwicklung einer gemeinsamen Vision und Strategie für die Gesundheitsförderung in dem jeweiligen Handlungskontext beitragen.

Standard 6: Assessment
In Partnerschaft mit Stakeholdern Ressourcen- und Bedarfsanalysen durchführen, im Kontext von politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, Umwelt-, Verhaltens- und biologischen Determinanten, welche die Gesundheit fördern oder schädigen.

Standard 7: Planung
Messbare Gesundheitsförderungsziele entwickeln aufgrund von Bedarfs- und Ressourcenanalysen in Partnerschaft mit Stakeholdern

Standard 8: Umsetzung
Gesundheitsförderung effizient und effektiv, kulturell angepasst und ethisch in Partnerschaft mit Stakeholdern umsetzen

Standard 9: Evaluation und Forschung
In Partnerschaft mit Stakeholdern angemessene Evaluations- und Forschungsmethoden anwenden, um die Reichweite, die Auswirkungen und Wirksamkeit von Gesundheitsförderungs-Interventionen zu erfassen.

In der folgenden Übersicht werden die CompHP Kernkompetenzen integriert dargestellt:

Literatur:


Das  CompHP-Rahmenkonzept für die Gesundheitsförderung. Kernkompetenzen -Professionelle Standards - Akkreditierung. Fachpublikation Konzepte Heft 5 der BZgA , Köln 2014  (zum herunterladen unter: http://www.bzga.de/infomaterialien/fachpublikationen/konzepte/)

Internetadressen:

Ausführliche Information zur internationalen Entwicklung von professionellen Standards für die Gesundheitsförderung und zum CompHP- Akkreditierungsverfahren unter:
www.iuhpe.org/index.php/en/links-and-resources(International Union for Health Promotion and Education)
www.bv-gesundheitsfoerderung.de (Berufsverband Gesundheitsförderung)
www.hochges.de (Kooperationsverbund Hochschulen für Gesundheit e.V.)

Verweise:

Gesundheitsförderung und Hochschule