Gesundheitsförderung und Schule

Peter Paulus , Kevin Dadaczynski

(letzte Aktualisierung am 15.06.2020)

Zitierhinweis: Paulus, P. & Dadaczynski, K. (2020). Gesundheitsförderung und Schule. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i051-2.0

Zusammenfassung

Ziel der schulischen Gesundheitsförderung ist es, alle Mitglieder der Schulgemeinschaft dazu zu befähigen, mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit und die ihrer Mitmenschen zu übernehmen. Dafür kommen sowohl verhaltens- als auch verhältnisbezogene Strategien zum Einsatz. So unterscheiden die Wissenschaftler Peter Paulus und Kevin Dadaczynski drei grundlegende Formen von Interventionsansätzen: (1) die verhaltensbasierte Gesundheitsförderung und Prävention, (2) die gesundheitsfördernde Schule und (3) die gute gesunde Schule. Konkrete Maßnahmen reichen dabei von Informationsbroschüren und Aktionstagen über zeitlich begrenzte Unterrichtsprogramme und Veranstaltungen bis hin zu groß angelegten Landesprogrammen und nationalen Aktionsplänen.

Schlagworte

Schulische Gesundheitsförderung, Gute gesunde Schule, Bildung und Gesundheit


Die schulische Gesundheitsförderung ist zu einem komplexen System herangewachsen, das durch die aktuelle Präventionsgesetzgebung noch einen deutlichen Impuls erhalten hat. Aber auch die bereits im Jahr 2012 veröffentlichte „Empfehlung zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule“ der Kultusministerkonferenz (KMK, 2012) ist als wichtiger Orientierungsrahmen zu nennen, die den 20 Jahre zurückliegenden Beschluss der KMK vom 5.–6. 11.1992 „Zur Situation der Gesundheitserziehung in der Schule“ erneuert und erweitert haben. Hier werden Gesundheitsförderung und Prävention als grundlegende Aufgaben der Schule und integrale Bestandteile von Schulentwicklung verstanden. Auch das Fachkonzept der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) von 2013 „Mit Gesundheit gute Schule entwickeln“ stellt einen wichtigen Rahmen zur Entwicklung der schulischen Gesundheitsförderung dar, wobei der Fokus hier vor allem auf der systematischen Verknüpfung von Gesundheit und Bildung liegt.

Akteure in der schulischen Gesundheitsförderung und Prävention

Wenn auch ein umfassender Überblick noch aussteht, ist die Vielfalt von Akteuren im Feld der schulischen Prävention und Gesundheitsförderung beeindruckend, die mit vielfältigen Initiativen, Projekten, Programmen und Ansätzen, z. B. zur Ernährung, Bewegung, Lebenskompetenz, Sucht, Erlebens- und Verhaltensproblemen, präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen entwickeln und umsetzen. Diese reichen von einfach strukturierten Interventionen (z. B. Unterrichtseinheiten) über ein in Schulen weit verbreitetes projektorientiertes Vorgehen, bis hin zu komplexen Settingprojekten, die die ganze Schule oder Schulnetzwerke betreffen.

Sie entstammen unterschiedlichen Fachdisziplinen und Forschungsrichtungen, richten sich an verschiedene Adressaten (Schülerinnen und Schüler, pädagogisches Personal, Eltern) mit einem vielfach nicht einheitlichen Verständnis von Gesundheit, Gesundheitsförderung und Prävention, sowie mit unterschiedlichen Zielen und Qualität. Übergeordnetes Ziel all dieser Maßnahmen ist es aber, bzw. sollte es im Bildungssetting Schule sein, jenseits von Anpassung und Normalisierung Mitglieder der Schulgemeinschaft zu befähigen, mehr Verantwortung im Sinne der Selbstbestimmung für die eigene Gesundheit in der Lebensführung zu übernehmen. Dazu werden sowohl personenbezogene als auch strukturell-systemische Strategien eingesetzt, aus deren Kombination sich trotz der Vielfalt drei grundlegende Realisierungsformen der schulischen Prävention und Gesundheitsförderung ableiten lassen (siehe Tab. 1, siehe auch Dadaczynski, Paulus, Nieskens, & Hundeloh, 2015).

 

Verhaltensbasierter Ansatz

Gesundheitsfördernde Schule

Gute gesunde Schule

Ausgangspunkt

Gesundheitliche Problemstellung

Gesundheitliche Problemstellung

Schulpädagogische Problemstellung

Zielgruppe

Einzelne Personengruppen (z. B. Schülerinnen und Schüler)

Alle schulischen Personengruppen

Alle schulischen Personengruppen

Sichtweise von Schule

Schule als Ort, an dem man die Zielgruppe erreicht

Schule als Setting, das gesundheitsförderlich gestaltet werden kann

Schule als Institution des Bildungswesens mit Bildungs- und Erziehungsauftrag

Konzept

Gesundheitsförderung in der Schule

Gesundheitsförderung durch die Schule

Bildungsförderung durch Gesundheit

Motto

Gesundheit zum Thema einzelner Zielgruppen machen

Gesundheit zum Thema der Schule machen

Mit Gesundheit gute Schule machen

Strategie

Veränderung individueller Determinanten von Gesundheit

Veränderung strukturell-systemischer Determinanten von Gesundheit

Veränderung von individuellen Determinanten von Gesundheit sowie der Bedingungsfaktoren guter Schulen

Outcomes

Wissen, Einstellungen, Verhalten

Schulische Rahmenbedingungen und Strukturen

Wissen, Einstellungen, Verhalten sowie Qualitätsdimensionen guter Schulen

Tab. 1: Interventionsansätze der schulischen Gesundheitsförderung im Vergleich (Eigene Darstellung)

Verhaltensbasierte Gesundheitsförderung und Prävention

Verhaltensbasierte Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule umschreibt einen Interventionsansatz, der eher auf die individuellen Determinanten der Gesundheit einzelner Personengruppen (z. B. Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte) fokussiert. Im Vordergrund stehen das Verhalten sowie seine Bedingungen (z. B. Wissen, Einstellungen, Intentionen) und deren gesundheitsförderliche Modifikation. Im Unterschied zum eher traditionellen Ansatz der Gesundheitserziehung, der vor allem auf Gesundheitsdefizite und -risiken ausgerichtet ist, orientieren sich moderne verhaltensbezogene Interventionen an einem ganzheitlichen Verständnis von Gesundheit und sind verstärkt an der Förderung von Ressourcen und Schutzfaktoren ausgerichtet.

Exemplarisch können hier die vielfältigen Angebote zur Förderung von Lebens- und. Gesundheitskompetenzen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen angeführt werden, die auch als ein zentrales Handlungsfeld im nationalen Gesundheitsziel „gesund aufwachsen“ festgelegt sind. Entsprechende Interventionen sind in der Vergangenheit vielfach evaluiert wurden und konnten vor allem kurz- und mittelfristig verschiedene Wirkungen auf individueller Ebene nachweisen (Jerusalem & Meixner, 2009).

Kritisch diskutiert wird jedoch, dass das Setting Schule oftmals nur auf den Zugang zur Zielgruppe begrenzt und ihr eigenes Einflusspotential als Setting auf Gesundheit nicht oder nicht ausreichend adressiert wird. Zudem steht in diesem Interventionsansatz ausschließlich Gesundheit als Input und Outcome im Vordergrund, was seitens der schulischen Akteure oftmals als „Add On“ zu ihrer schulischen Bildungsarbeit empfunden wird (Dadaczynski et al., 2015).

Gesundheitsfördernde Schule

Anders als der verhaltensbasierte Ansatz rückt die Gesundheitsfördernde Schule den Settinggedanken verstärkt in den Blickpunkt des Interesses. Eine Schule, die nach diesem Interventionsansatz arbeitet, hat es sich zur Aufgabe gemacht, in einem Schulentwicklungsprozess ein Setting zu schaffen, das die auf den Lern- und Arbeitsort Schule bezogene Gesundheit der Schülerinnen und Schüler sowie auch der Lehrkräfte und des nicht-unterrichtenden Personals fördert bzw. erhält. Neben zentralen Grundprinzipien der Gesundheitsförderung (u. a. ganzheitlicher Gesundheitsbegriff, Selbstbestimmung, Partizipation und Empowerment, Salutogenese) orientiert sich die Gesundheitsfördernde Schule deshalb an den nachfolgenden Handlungsfeldern (Tab. 2).

Lehren und Lernen

Gesundheit als Thema von Lehren und Lernen und als Gegenstand von Methodik und Didaktik

Schulleben und schulische Umwelt

Gesundheit als Prinzip der Schulkultur sowie als Prinzip baulicher Maßnahmen und der Schulgestaltung

Kooperation und Dienste

Einbezug außerschulischer Partner und psychosozialer bzw. medizinischer Dienste zur Stärkung schulischer Gesundheitsförderung

Schulisches Gesundheitsmanagement

Entwicklung sowie Anwendung von Prinzipien und Strategien des (schul-)betrieblichen Gesundheitsmanagements

Tab. 2: Vier Handlungsfelder der Gesundheitsfördernden Schule (Eigene Darstellung)

Dieser Ansatz wird oftmals als „ganzheitlich“ beschrieben, weil er neben einem umfassenden Gesundheitsverständnis auf verschiedenen Schulebenen (Klassenraum, Schulgebäude, Schulumwelt) ansetzt und alle schulischen Personengruppen (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen, nicht-unterrichtendes Personal), die einen erheblichen Teil des Tages in der Schule verbringen, gleichermaßen in den Blick nimmt (für einen internationalen Überblick siehe Simovska & McNamara, 2014).

Im Vergleich zu verhaltensbezogenen Interventionsformen ist die Gesundheitsfördernde Schule hinsichtlich ihrer Wirksamkeit schwieriger zu evaluieren. Der hier verfolgte Ansatz ist wesentlich komplexer und die erhofften Effekte stellen sich erst nach längerer Zeit ein. Dennoch weisen verschiedene Befunde darauf hin, dass dieser Ansatz wirksam sein kann und das Potenzial hat, gegenüber den eher kurzfristigen und ausschließlich auf das Verhalten abzielenden Maßnahmen nachhaltiger zu sein (Langford et al., 2015). So ist es nicht verwunderlich, dass die Gesundheitsfördernde Schule international wie auch seitens der Weltgesundheitsorganisation nach wie vor das favorisierte Konzept der schulischen Gesundheitsförderung darstellt.

Die unterschiedlichen auf europäischer Ebene verfolgten Aktivitäten werden seit 1991 durch das von der WHO initiierte Europäische Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen zusammengeführt. Dieses wird seit dem Jahr 2017 durch die Stiftung „Schools for Health in Europe (SHE) Network“ weitergeführt (www.schoolsforhealth.net), dem aktuell 33 Mitgliedsländer angehören. Seit ihrem Bestehen wurden vier europäische Konferenzen gesundheitsfördernder Schulen umgesetzt und deren Ergebnisse in Form von „Statements“ dokumentiert. Mit der Ende 2019 in Moskau realisierten 5. Europäischen Konferenz gesundheitsfördernder Schulen wurde diese Tradition fortgeführt, wobei die Wahl des Ortes auch Ausdruck einer Globalisierung ganzheitlicher Ansätze der schulischen Gesundheitsförderung (z. B. in den asiatischen Raum) darstellt. Die Ergebnisse dieser Konferenz sind in Form eines Statements mit 23 Empfehlungen für Forschung, Politik und Praxis verfügbar (Dadaczynski et al., 2020).

Trotz seiner Beliebtheit ist die Schwäche des Ansatzes der Gesundheitsfördernden Schulen vor allem in seiner begrenzten Verbreitung zu sehen. Wie auch bei den verhaltensbezogenen Angeboten wird die Gesundheitsfördernde Schule aus einer gesundheitswissenschaftlichen Perspektive legitimiert und mit Methoden des (schul-)betrieblichen Gesundheitsmanagements umgesetzt. Schulen sind jedoch zuvorderst durch einen Bildungsauftrag legitimiert, in dem Gesundheit oftmals eine untergeordnete Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund konnte dieser Ansatz keine Breitenwirksamkeit entfalten, sondern wurde vielfach nur Mittel der Schulprofilierung von einzelnen, besonders an gesundheitlichen Themen interessierten Schulen.

Gute gesunde Schule

Zur Überwindung dieser Systembarriere hat sich in den vergangenen 15 Jahren mit der Guten gesunden Schule ein neuer Ansatz etabliert, der die Erziehungs- und Bildungsqualität als Ausgangspunkt nimmt. Eine gute gesunde Schule ist eine Schule, die durch Gesundheitsinterventionen ihre Erziehungs- und Bildungsqualität insgesamt zu verbessern versucht und zugleich auch spezifische Gesundheitsbildungsziele verfolgt, die als Teil des Bildungsauftrages der Schule gesetzlich geregelt sind (Paulus, 2010).

Im Unterschied zu den anderen beiden Ansätzen findet an dieser Stelle eine Verschränkung von Gesundheit und Bildung statt, wobei Gesundheit nicht das primäre Ziel darstellt, sondern vielmehr eine Ressource im Sinne eines Inputs für erfolgreiche Bildungs- und Erziehungsprozesse.

Handlungsfelder der schulischen Gesundheitsförderung werden durch die Qualitätsdimensionen aufgespannt, wie sie die Bundesländer für ihre Schulen vorsehen (siehe Tab. 3). Zusammengefasst handelt es sich dabei um die folgenden Handlungsfelder, denen jeweils Beispielindikatoren der Guten gesunden Schule zugeordnet sind:

Nr.

Handlungsfeld / Qualitätsdimension

Beispielindikator Gute gesunde Schule

1

Rahmenbedingungen

Die Schule verfügt über ein funktionierendes Sicherheitskonzept (Gesundheits- und Arbeitsschutz, Brandschutz, Evakuierungsplan, Ausstattung).

2

Schulkultur

Es findet eine Rhythmisierung des Schulalltags nach gesundheitswissenschaftlichen Erkenntnissen statt (Stunden-/Pausenplan).

3

Schulführung und Management

Bei persönlichen Problemen der Lehrkräfte achtet die Schulleitung auf berufsbedingte physische und psychische Belastungen und trifft Maßnahmen zu ihrem Abbau.

4

Kooperationen und Außenbeziehungen

Eltern haben die Möglichkeit, am Schulleben und der Schulentwicklung teilzuhaben und in Gesundheitsteams mitzuarbeiten.

5

Professionalität der Lehrkräfte

Mit den Beschäftigten werden Bewältigungsstrategien zur Förderung eines konstruktiven Umgangs mit beruflichen Belastungen entwickelt

6

Lehren und Lernen

Es findet Unterricht statt, der auch Gesundheitsaspekte mit berücksichtigt (der z.B. Bewegung ermöglicht; die Selbstwirksamkeit der Schüler steigert, ihr Selbstwertgefühl erhöht).

7

Ergebnisse und Erfolge

Die Schülerinnen und Schüler haben gelernt, mit der eigenen Gesundheit und der Gesundheit anderer verantwortungsbewusst um zu gehen.

8

Qualitätsmanagement

Es gibt regelmäßige Evaluationen der Bildungs- und Gesundheitsqualität der Schule.

Tab. 3: Handlungsfelder/Qualitätsdimensionen Gute gesunde Schulen (Eigene Darstellung)

Damit läutet dieser Ansatz nicht nur einen Perspektivwechsel in Richtung einer Annäherung an den Kernauftrag von Schule ein, er entspricht auch aktuellen empirischen Befunden, die darauf hinweisen, dass Gesundheit einen Einfluss auf Bildungsergebnisse und deren Determinanten (z. B. Schulmotivation) haben kann (Dadaczynski, 2012). Grundlegend werden in diesem Ansatz zwei Strategien unterschieden:

  • Qualifizierung von Bildung durch Gesundheit: Diese strategische Orientierung zielt auf die Verbesserung der Kerndimensionen von guter Schule mittels Gesundheitsinterventionen. Was eine gute Schule ausmacht, ist jeweils in den schulischen Qualitätsrahmen der Bundesländer festgelegt und umfasst im Wesentlichen die in Tab. 3 aufgelisteten Handlungsfelder. Sie stellen die mit den Indikatoren erfassten Zieldimensionen der guten gesunden Schule dar, die mit Hilfe von Maßnahmen der gesundheitsfördernden Schulentwicklung adressiert werden. Die Erfolgsprüfung entsprechender Interventionen erfolgt daher vor allem entlang dieser Dimensionen, z. B. im Rahmen regelmäßiger Schulaudits. Wie die Gesundheitsfördernde Schule, so orientiert sich auch die Gute gesunde Schule an den zentralen Grundprinzipien der Gesundheitsförderung.
  • Qualifizierung von Gesundheit durch Bildung: Im Gegensatz zur erstgenannten Strategie ist diese Orientierung eher auf individuelle Bedingungsfaktoren von Gesundheit ausgerichtet. Entsprechend des Erziehungs- und Bildungsauftrages von Schulen sollen Schülerinnen und Schüler befähigt werden, alltägliche Anforderungen zu bewältigen und ihre eigene Gesundheit positiv zu beeinflussen. Wichtige Themen stellen laut Beschluss der Kultusministerkonferenz die Ernährungserziehung und -bildung, die Bewegungsförderung oder auch die Suchtprävention und Lebens- bzw. Gesundheitskompetenzförderung dar. In diesem Zusammenhang ist das Konzept der Gesundheitskompetenz zu nennen, deren Bedeutung spätesten infolge der Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans im Jahr 2018 zugenommen hat. Hierunter wird die Fähigkeit verstanden, gesundheitsbezogene Informationen zu finden, zu verstehen, kritisch zu bewerten und mit dem Ziel der Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung der eigenen Gesundheit anzuwenden (Sørensen et al., 2012). Studienbefunde zeigen, dass mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung von Schwierigkeiten der Erschließung und Verarbeitung gesundheitsbezogener Informationen betroffen sind, wobei bildungsferne Jugendliche und Heranwachsende mit Migrationshintergrund häufiger entsprechende Schwierigkeiten aufweisen (Quenzel, Schaeffer, Messer, & Vogt, 2015). In Folge der Verabschiedung des NAP Gesundheitskompetenz wurden im Rahmen von Expertenworkshops Empfehlungen erarbeitet, die eine möglichst frühzeitige Förderung von Gesundheitskompetenz in Bildungs- und Erziehungssettings fordern (Hurrelmann, Bauer, & Schaeffer, 2018). Maßnahmen zur Förderung der individuellen Gesundheitskompetenz (z. B. durch edukative Maßnahmen im Klassenkontext) sind vor allem dieser Strategie zuzuordnen. Aus Sicht aktueller Ansätze der schulischen Gesundheitsförderung greifen ausschließlich individuelle Strategien (z. B. der Gesundheitskompetenz) zu kurz und sollten daher Teil einer ganzheitlichen Strategie sein, die sich vor allem auch dem System Schule und seiner Rahmenbedingungen und Prozesse zuwendet.

Welchen Interventionsansatz wählen?

Die drei hier vorgestellten Interventionsansätze sind als grundlegende Realisierungsformen zu verstehen. Auch wenn die ganzheitlichen settingbezogenen Ansätze der gesundheitsfördernden Schule und der Guten gesunden Schule gegenüber den ausschließlich verhaltensbezogenen Maßnahmen als überlegener und nachhaltiger eingestuft werden, ist die Frage, welcher Interventionsansatz zu wählen ist, immer nur vor dem Hintergrund der spezifischen Bedarfe und Erfahrungen der Einzelschule zu beantworten.

So sind die ganzheitlichen Settingansätze in Schulen, die kaum Erfahrung in der Umsetzung von Organisations- und Schulentwicklungsansätzen haben, nur bedingt realisierbar. Daher können Maßnahmen mit geringerer Komplexität und zeitlich begrenztem Fokus ein sinnvoller und wirksamer Einstieg sein, der mit zunehmender Erfahrung und Erfolgserlebnissen um weitere systematische Entwicklungsansätze und eine Ausrichtung an Bildungsqualitäten erweitert wird.

Neben der Frage, wie landes- oder bundesweite Initiativen nachhaltig disseminiert werden können, beschäftigt sich die schulische Gesundheitsförderung zunehmend mehr mit der Frage, wie und unter welchen Bedingungen Implementationen in der einzelnen Schule erfolgreich gestaltet werden können. Sie kommt damit auch der Schulpraxis entgegen, die eine an den Bedarfslagen der einzelnen Schule ausgerichtete Interventionsplanung für erforderlich hält. Die in zahlreichen Praxiserfahrungen und wissenschaftlichen Studien zu Tage geförderten Evidenzen sind mittlerweile in verschiedene Qualitätsverfahren und Übersichten zu Gelingensbedingungen überführt wurden (DAK, 2012).

Literatur:

Dadaczynski, K., Jensen, B. B., Viig, N. G., Sormunen, M., von Seelen, J., Kuchma, V., & Vilaça, T. (2020, online first). Health, well-being and education: Building a sustainable future. The Moscow statement on Health Promoting Schools. Health Education.https://doi.org/10.1108/HE-12-2019-0058.
Dadaczynski, K., Paulus, P., Nieskens, B., & Hundeloh, H. (2015). Gesundheit im Kontext von Bildung und Erziehung – Entwicklung, Umsetzung und Herausforderungen der schulischen Gesundheitsförderung in Deutschland. Zeitschrift für Bildungsforschung, 5(2), 197–218.
Dadaczynski, K. (2012). Stand der Forschung zum Zusammenhang von Gesundheit und Bildung: Überblick und Implikationen für die schulische Gesundheitsförderung. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 20, 141–153.
DAK Gesundheit & Unfallkasse NRW (Hrsg.) (2012). Handbuch Lehrergesundheit: Impulse für die Entwicklung guter gesunder Schulen. Zugriff am 11.10.2019 unter www.handbuch-lehrergesundheit.de/downloads/Handbuch-Lehrergesundheit.pdf.
DGUV – Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2013). Mit Gesundheit gute Schulen entwickeln. DGUV-Information 202-083. Zugriff am 19.09.2019 unter https://publikationen.dguv.de/regelwerk/regelwerk-nach-fachbereich/bildungseinrichtungen/schulen/2602/mit-gesundheit-gute-schulen-entwickeln.
Jerusalem, M., & Meixner, S. (2009). Lebenskompetenzen. In: A. Lohaus & H. Domsch (Hrsg.), Psychologische Förder- und Interventionsprogramme für das Kindes- und Jugendalter (S. 141-157). Berlin, Heidelberg: Springer.
Hurrelmann, K., Bauer, U., & Schaeffer, D. (2018). Strategiepapier #1 zu den Empfehlungen des Nationalen Aktionsplans. Das Erziehungs- und Bildungssystem in die Lage versetzen, die Förderung von Gesundheitskompetenz so früh wie möglich im Lebenslauf zu beginnen. Berlin: Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz.
KMK – Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2012). Empfehlung zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule. Zugriff am 19.09.2019 unter https://tinyurl.com/y6oc5dfq.
Langford, R., Bonell, C., Jones, H., Pouliou, T., Murphy, S., Waters, E., & Campbell, R. (2015). The World Health Organization’s Health Promoting Schools framework: A Cochrane systematic review and meta-analysis. BMC Public Health, 15:130.
Paulus, P. (2010). Bildungsförderung durch Gesundheit: Bestandsaufnahme und Perspektiven für eine gute gesunde Schule: Weinheim: Juventa.
Quenzel, G., Schaeffer, D., Messer, M., & Vogt, D. (2015). Gesundheitskompetenz bildungsferner Jugendlicher. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 58(9), 951–957.
Simovska, V., & McNamara, P. M. (2014). Schools for Health and Sustainability: Theory, Research and Practice. Springer Netherlands.
Sørensen K., Van den Broucke S., Fullam J., Doyle G., Pelikan J. M., Slonska Z., Brand H., & HLS-EU Consortium (2012). Health Literacy and Public Health: A Systematic Review and Integration of Definitions and Models. BMC Public Health 2012:12.

Internetadressen:

Europäisches Netzwerk der nationalen Netzwerke gesundheitsfördernder/guter gesunder Schulen: www.schoolsforhealth.eu
Kooperationsprojekt zur gesundheitsfördernden Schule: www.gesundheit-nds.de/index.php/arbeitsschwerpunkte-lvg/bildungseinrichtungen/2-gesund-leben-lernen
Landesprogramm Bildung und Gesundheit NRW: www.bug-nrw.de
Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz: www.nap-gesundheitskompetenz.de
Niedersächsische Landesinitiative Gesundheit – Bildung – Entwicklung: www.dieinitiative.de
Programm für die Primar- und Sekundarstufe: Mit psychischer Gesundheit gute Schule entwickeln: www.mindmatters-schule.de
Schulportal Lernen und Gesundheit: www.dguv-lug.de